IT-Giganten sollen die Löhne gedrückt haben.

Illustration: Standard/Fatih Aydogdu

Wien / Palo Alto - Die E-Mails, die Google-Vizepräsident Jonathan Rosenberg im August 2008 an Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg schrieb, wirken auf den ersten Blick harmlos. Facebook habe in den vergangenen Monaten mehrere Mitarbeiter von Google abgeworben, beschwerte sich Rosenberg in seiner Mail an Sandberg am 10. August. In der Führungsetage von Google sehe man diese Entwicklung gar nicht gern. Sofern Facebook "gute Beziehungen" zu Google wünsche, solle es die Rekrutierungen einstellen, verlangte der Google-Manager. Sandberg lehnte die Forderung im Namen von Facebook höflich, aber bestimmt ab.

Was nach einer belanglosen E-Mail-Diskussion zwischen zwei Managern klingt, gilt in Wahrheit als wichtiger Beweis in einem bevorstehenden spektakulären Schadenersatzprozess gegen die IT-Giganten Google, Apple, Intel und Adobe. In der in Kalifornien eingereichten Klage wird den vier Unternehmen vorgeworfen, ein illegales Stillhalteabkommen getroffen zu haben. Demnach sollen die IT-Firmen zwischen 2005 und 2009 verabredet haben, sich gegenseitig keine Fachkräfte abzuwerben. Ohne die Absprache und mit freiem Wettbewerb in der Branche hätten die Gehälter der IT-Mitarbeiter im Silicon Valley stärker steigen müssen, argumentieren die Kläger, allesamt frühere Mitarbeiter der genannten Unternehmen.

Wie der vom Wall Street Journal am Montag veröffentlichte E-Mail-Verkehr belegen soll, haben Google und Apple auch andere Unternehmen kontaktiert, um sie für das Stillhalteabkommen zu gewinnen. Überhaupt beruht ein großer Teil der Beweisführung der Kläger auf E-Mails zwischen namhaften IT-Managern, darunter der verstorbene frühere Chef von Apple, Steve Jobs.

Steve Jobs drohte mit Krieg

Wie Gerichtsdokumente beweisen sollen, habe Jobs 2005 in einer E-Mail an Google-Mitbegründer Sergey Brin mit "Krieg" gedroht, sollte das Unternehmen weiter versuchen, Apple-Fachkräfte abzuwerben. Bei Google erschrak man offenbar wegen der Drohung. Um einen Konflikt zu vermeiden, schaltete man einen externen Berater im Silicon Valley, Bill Campbell, ein. Campbell soll in der Folge das Stillhalteabkommen eingefädelt und ausverhandelt haben.

Zu den bei Gericht eingereichten Beweisen zählt auch eine Mail der Google-Führung an Steve Jobs von 2007. In dem Schreiben wurde der Apple-Chef darüber informiert, dass Google einem Personalvermittler gekündigt habe, weil dieser versucht haben soll, Apple-Personal abzuwerben. Jobs soll die Mail mit einem Smiley versehen und an Kollegen weitergeleitet haben.

Für die vier IT-Unternehmen steht bei dem Prozess, der im Mai starten soll, viel auf dem Spiel. Die Preisdumping-Klage haben ursprünglich fünf ehemalige IT-Mitarbeiter 2011 eingereicht. Nach einer Reihe juristischer Streitereien darüber, ob die Klage überhaupt zulässig ist, hat Anfang des Jahres ein Bezirksgericht in San José grünes Licht für den Prozess gegeben.

Eine Folge des Entscheides in San José ist, dass nun im Falle einer Niederlage von Google und Co alle 60.000 IT-Mitarbeiter der betroffenen Unternehmen Schadenersatzklagen einreichen dürfen. Nach Schätzungen könnte die Affäre die vier IT-Unternehmen bei einer Verurteilung mehr als drei Milliarden Dollar (2,2 Milliarden Euro) kosten.

Ursprünglich richtete sich die Schadenersatzforderung nicht nur gegen Apple, Google, Intel und Adobe, sondern auch gegen Pixar Animation, ein Tochterunternehmen von Walt Disney. Pixar soll allerdings bereits einem Vergleich und einer Entschädigungszahlung zugestimmt haben, um einem Verfahren zu entgehen. (szi, DER STANDARD, 22.4.2014)