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Ein Bild des Elends mitten in Europa: eine dürftige Roma-Siedlung im Norden Rumäniens, nahe der Stadt Baia Mare.

Foto: EPA/Czegledi

STANDARD: Amnesty International hat mit einem Bericht über die Diskriminierung von Roma für Aufruhr gesorgt. Gleichzeitig verbreiteten Sie über die Medien, dass Rumänien geheime Verhandlungen über eine Roma-Taskforce platzen hat lassen. War das notwendig?

Ohlsson: Schweden hat viele Monate mit Rumänien darüber verhandelt, wie Gelder aus EU-Fonds für Roma verwendet werden sollen, damit sie nicht auswandern müssen. Ich bin enttäuscht, dass die rumänische Regierung überhaupt keinen Willen zur Kooperation auf europäischer Ebene zeigt. Wir brauchen andere Akteure bei diesen Verhandlungen.

STANDARD: Warum blockiert Rumänien Ihrer Meinung nach die Umsetzung einer Taskforce?

Ohlsson: Ich glaube, da gibt es verschiedene Gründe. Rumänien mangelt es an politischem Willen. Gleichzeitig fehlt dem Land die administrative Kapazität, um EU-Gelder effizient einzusetzen. Es ist eines der ärmsten Länder in der Union. Stolz spielt vermutlich auch eine Rolle – Rumänien will keine Beobachter aus anderen Ländern ins Land lassen.

STANDARD: Rumäniens Außenminister Titus Corlatean wirft Ihnen vor, Sie wollten sich auf Kosten der Roma profilieren. Außerdem sei eine Taskforce "nie auf persönlicher Ebene besprochen worden".

Ohlsson: Das Angebot wurde auf vielen Ebenen viele Monate lang diskutiert. Das größere Problem – die strukturelle Armut der Roma, die Arbeitslosigkeit, die Wohnsituation – wurde sogar über Jahre thematisiert. Das ist doch nicht neu! Wenn er das Gefühl hat, dass ich bei Menschenrechtsverletzungen scharf reagiere, bin ich sogar stolz darauf.

STANDARD: Haben Sie die Idee einer Taskforce ohne Rumäniens Zustimmung vorgestellt?

Ohlsson: Ja, wir haben einen Brief an die Kommission geschickt. Ich hoffe stark, dass Rumänien seine Meinung ändert. Ich will diese Idee nicht aufgeben, dafür habe ich zu viele elende Romalager in verschiedenen Ländern gesehen. Das ist einer modernen Gesellschaft unwürdig zu akzeptieren, dass Kinder ihr Essen im Müll suchen müssen.

STANDARD: Woher kommt Ihr Einsatz für Roma in Osteuropa?

Ohlsson: Ich setze mich genauso für die Rechte von Muslimen, Juden und Homosexuellen ein. Ich denke, es ist ein Lackmustest für Staaten, wie sie Minderheiten behandeln. Die Union wurde aufgebaut, um nie wieder ein Verbrechen wie den Holocaust zuzulassen. Europäische Politiker sollten viel stärker gegen Intoleranz und Einschüchterung auftreten.

STANDARD: Entwickelt sich Europa diesbezüglich zurück?

Ohlsson: Die Reden vor der Europawahl sind voller Vorurteile, Fremdenhass und Rassismus gewinnen an Bedeutung. Das ist eine sehr ernste Situation.

STANDARD: Sie haben bereits 2010 Alarm geschlagen. Fühlen Sie sich von den anderen Mitgliedsstaaten im Stich gelassen?

Ohlsson: Nein, die Debatte über Menschenrechte war damals nicht so intensiv wie heute. Jetzt wurde der Europäische Sozialfonds mit 22,5 Milliarden Euro für die kommenden sieben Jahre beschlossen, damit können wir die Finanzierung von Programmen für Roma sichern. Der Sinn dieses Fonds ist es, den Ärmsten der Armen zu helfen.

STANDARD: Üben auch andere EU-Länder Druck auf Rumänien aus?

Ohlsson: Ohne Einzelne herauspicken zu wollen: Viele Staaten und diverse Menschenrechtsorganisationen versuchen, die rumänische Regierung von dem Ansatz zu überzeugen. Auch die EU-Kommission sorgt sich, dass Gelder aus EU-Fonds unwirtschaftlich verwendet werden und nicht bei den Roma ankommen.

STANDARD: Warum geht die Kommission dann nicht strenger gegen Länder vor, die Minderheiten diskriminieren?

Ohlsson: Es fehlt das Monitoring. Wir brauchen ein gemeinsames System und jährliche Berichte zur Situation der Menschenrechte.

STANDARD: Wer soll die verfassen?

Ohlsson: Die Kommission. Längerfristig sind Sanktionen ein wichtiges Mittel. Die Diskriminierung von Roma ist kein rumänisches Phänomen, das betrifft viele EU-Staaten, etwa Frankreich oder Ungarn. Auch in Schweden haben wir eine dunkle Geschichte. Das ist traurig, aber damit müssen wir klarkommen.

STANDARD: 2013 kam ans Licht, dass die schwedische Polizei eine Roma-Datenbank angelegt hat. Sie haben das als unethisch verurteilt – was ist sonst geschehen?

Ohlsson: Die Untersuchungen laufen noch. Die meisten Politiker und die Öffentlichkeit haben den Vorfall scharf verurteilt. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 22.4.2014)