Graz - Die Debatte darüber, welche Rahmenbedingungen eine Betreuung braucht, die den kognitiven, emotionalen und sozialen Bedürfnissen von Kindern entgegenkommt, ist in der Steiermark seit Monaten ein Dauerbrenner. Pädagoginnen und Eltern beklagen seit einem Jahr etwa Kontrollen in Kindergärten und Kinderkrippen und eine de facto Anwesenheitspflicht aller Kinder, die als Bedingung für die Förderung der Einrichtungen gestellt wurde – derStandard.at berichtete.
Ablehnende Stellungnahmen
Im März präsentierte der zuständige Landesrat für Bildung und Familie, Michael Schickhofer (SPÖ), eine geplante Novellierung des steirischen Kinderbildungs- und –betreuungsgesetzes die Besserung bringen sollte. Die Begutachtungsfrist für den Gesetzesentwurf endete vor Ostern und wurde von erstaunlich vielen genutzt. Über 60 Stellungnahmen gibt es zu Schickhofers Entwurf, der - harmlos ausgedrückt - zerpflückt wurde.
Darunter sind neben Stellungnahmen von zahlreichen Kinderbetreuungseinrichtungen, einzelnen Pädagogen wie auch Tagesmüttern und einer sehr ausführlichen des Arbeitsbereichs Elementarpädagogik des Instituts für Erziehungs- und Bildungswissenschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz, sogar Stellungnahmen von drei Abteilungen des Landes Steiermark. Auch die Abteilungen für Personal und jene für Bildung und Gesellschaft üben (wenn auch vorsichtiger) Kritik an Schickhofers Entwurf und fordern unter anderem mehr Absprache mit Eltern und Betreuerinnen.
Gekürzte Personalkosten
Fast allen Stellungnahmen gemein ist der Vorwurf, dass Schickhofer unter dem Schlagwort Flexibilisierung der Betreuung und frühkindlichen Bildung – die von allen Seiten lange gefordert wurde – bloß sparen wolle, indem er Personalkosten bzw. Stunden kürze. Ganz wie es die selbst ernannte Reformpartnerschaft von SPÖ und ÖVP von allen ihren Referaten erwartet.
Die Elementarpädagoginnen der Uni Graz rund um Cornelia Wustmann sorgen sich in ihrer Stellungnahme vor allem angesichts des geplanten "Zusammenlegen von Gruppen bzw. Aufteilen der Kinder in andere Gruppen, die sich wiederum jeden Monat neu zusammensetzen können". Dieser Umgang mit den Kindern wirke "dem Aufbau von stabilen und sicheren Beziehungen zu den pädagogischen Fachkräften, verschärft durch die Teilzeiteinstellungspolitik, als auch zu den anderen Kindern entgegen".
Scharfe Kritik erntet der Entwurf von Wustmann und ihrem Team auch, weil künftig Kindergartenpädagogen außerhalb sogenannter Kernzeiten durch pädagogisches Hilfspersonal ersetzt werden können. Bei Bedarf kann dieses - weniger geschulte - Hilfspersonal, das eigentlich als Unterstützung der Pädagoginnen gedacht ist, eine Gruppe sogar bis zu drei Wochen alleine leiten. Während in anderen europäischen Staaten "im Rahmen der Professionalisierung eine Akademisierung der Ausbildung von Kindergartenpädagoginnen" umgesetzt werde - wo Österreich laut OECD noch Schlusslicht sei, sei das Ersetzen der Kindergartenpädagoginnen durch Hilfskräfte ein "massiver Rückschritt", heißt es in der Stellungnahme weiter.
Arbeitsrechtliche Probleme
Die Volkshilfe sieht in ihrer Stellungnahme sogar arbeitsrechtliche Probleme, sollte der Entwurf so umgesetzt werden und gibt darüber hinaus zu bedenken: "Der Druck der Flexibilisierung der Dienstverhältnisse schafft Arbeitsbedingungen, die am Arbeitsmarkt nicht attraktiv erscheinen. Pädagoginnen, die nicht wissen, mit wie vielen Wochenstunden sie im kommenden Monat beschäftigt sein werden, werden sich schwer tun, stabile qualitativ hochwertige Betreuungs- und Bildungsarbeit zu leisten." Zudem sei das neue System – vor allem für die Eltern – noch komplizierter.
Das sieht das Arbeitsmarktservice (AMS) überraschend anders. Es befindet in seiner Stellungnahme, dass zumindest die "Flexibilisierung der Betreuung und die Erleichterung der Betreuung außerhalb der pädagogischen Kernzeiten dem Auftrag des AMS, Frauen bei der Erlangung von Arbeitsplätzen zu unterstützen, sehr entgegen kommen".
Qualitätsverlust befürchtet
Grüne und KPÖ werden im nächsten Unterausschuss im Landtag am 30. April auch noch einmal ihre Bedenken an Schickhofers Plänen äußern. Die KPÖ-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler – selbst gelernte Pädagogin und vor ihrer Politkarriere Gründerin einer Kinderkrippe in Graz – zeigt sich angesichts der Vorschläge Schickhofers, der wie ein "Controller" agiere und nicht an das Wohl der Kinder denke, empört. Sie sehe "durch die Kürzungen der Personalkosten einen Qualitätsverlust in den Einrichtungen, unter denen Kinder, Eltern und Beschäftigte leiden werden!" Auch Grünen-Landtagsabgeordnete Ingrid Lechner-Sonnek hofft, dass Schickhofer "dieses Gesetz noch gründlich repariert und entbürokratisiert".
Aus dem Büro Schickhofer hieß es auf die Frage von derStandard.at, wie man mit der von allen Seiten eingebrachten Kritik umgehen werde, man wolle "jetzt erst einmal jede Stellungnahme genau durcharbeiten. Erst dann sagen wir etwas dazu". Ein Pressegespräch noch vor der Ausschusssitzung am 30. April sei jedenfalls zu erwarten. (Colette M. Schmidt, derStandard.at, 22.4.2014)