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Dmitri Medwedew verspricht, Folgen möglicher Sanktionen gering zu halten

Foto: EPA/YURI KOCHETKOV

Moskau - Wenn der russische Premier vor der Duma auftreten muss, um seinen Jahresrechenschaftsbericht abzulegen, so nutzt er die Gelegenheit in der Regel zum Eigenlob. Auch Dmitri Medwedew stellte bei der sechsten Auflage des Rapports keine Ausnahme dar. Allerdings gewann der Auftritt durch die aktuellen Ereignisse um die Krim deutlich an Schärfe.

So ging Medwedew gleich zu Beginn seines gut einstündigen Vortrags auf die möglichen Folgen der Sanktionen gegen Russland ein: Die Krim werde als Vorwand für "politisches Pressing" genutzt, klagte er. "Erstmals ist Russland dadurch gleich unter dreifachen Druck geraten", fügte er hinzu. Neben der instabilen Konjunktur der Weltwirtschaft und den strukturellen Problemen der russischen Ökonomie wirkten sich nun die Sanktionen als Belastungsfaktor aus.

Seinen Angaben nach stellt die "unfreundliche Politik einer Reihe von führenden Ländern" für Russland allerdings kein größeres Problem dar. Die Regierung werde die Folgen von Sanktionen für die Wirtschaft minimieren, versprach der Premier. Verteidigungsfähigkeit und Sicherheit des Landes seien nicht bedroht. "Der Rüstungssektor war schon immer unser nationaler Stolz", im vergangen Jahr habe Russland Rüstungsgüter für 15,74 Milliarden Dollar exportiert, verkündete er.

Weniger Importabhängigkeit

Medwedews Angaben nach führen die Sanktionen nur dazu, dass Russland schneller als geplant dazu übergeht, auf Importe zu verzichten. "Angesichts künstlicher Beschränkungen bei den Wirtschaftsbeziehungen werden wir zusätzliche Stimuli schaffen, um die Importabhängigkeit zu verringern", sagte er. Das Land habe das wissenschaftliche und technische Potenzial, um eine Industrie aufzubauen, die in vielen Sektoren autark ist, glaubt Medwedew.

Daneben kündigte er auch eine weitere Diversifizierung der Wirtschaftsbeziehungen an. Speziell im Rohstoff- und Rüstungsbereich schaut sich Russland verstärkt nach Partnern im asiatischen Raum um. Die Ukraine hingegen werde künftig nur noch Gas gegen Vorauszahlung bekommen, teilte er mit.

Wirklich neu ist Medwedews Argumentationsmuster nicht. Mit der Drohung, sich China zu- und von Europa abzuwenden, arbeitet die russische Führung seit Jahren dann, wenn die Europäer ihrerseits wiedereinmal über die Diversifizierung ihrer Lieferungen debattieren. Auch den Aufbau einer eigenen modernen und leistungsfähigen Industrie verspricht der Kreml seit langem, ohne dass sich wirklich etwas bewegt hätte.

Dass die russische Wirtschaft empfindlich ist, wurde aus den Zahlen deutlich, die Medwedew für das vergangene und laufende Jahr präsentierte. Demnach wuchs das BIP 2013 nur um 1,3 Prozent, deutlich weniger als erwartet. Heuer wird das Wachstum, wie Medwedew sich ausdrückte, "auf EU-Niveau" liegen. Für Russland ist das keine Erfolgsmeldung, bedeutet es doch, dass der Aufholprozess gegenüber den führenden europäischen Wirtschaftsmächten trotz stabiler Öl- und Gaspreise unterbrochen ist.

Viel stärker als die eigentlichen Sanktionen trifft die Volkswirtschaft dabei die Unsicherheit über den künftigen Kremlkurs in der Ukraine. Unternehmer halten sich so lange mit Investitionen zurück, die Kapitalflucht könnte heuer 100 Milliarden Dollar übersteigen. (DER STANDARD, 23.4.2014)