In den meisten EU-Mitgliedstaaten kann man eine Vorzugsstimme vergeben.

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"Gibt es ein Vorzugsstimmensystem? Wenn ja, bitte auch erklären, wann wer wie weit vorgereiht wird", bittet User "senfkopf" die STANDARD-Redaktion.

In den meisten der 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gibt es die Möglichkeit, eine Vorzugsstimme zu vergeben, was auch als "lose gebundene Liste" bezeichnet wird. Luxemburg ist ein besonderer Fall: Dort haben Wähler so viele Stimmen, wie Mandate zu vergeben sind (bei der Wahl im Mai sind es sechs), und können ihre Stimmen auf Kandidaten verschiedener Listen verteilen. In Irland und Nordirland wird im System der übertragbaren Einzelstimmgebung (Single Transferable Vote, STV) von jedem Wähler selbst eine Reihenfolge der Kandidaten erstellt.

In Deutschland, Frankreich, Spanien und einigen weiteren EU-Ländern kann man hingegen keine Vorzugsstimmen vergeben. Dort gibt es ein System geschlossener Wahllisten, in dem die Wahlberechtigten die Kandidaten nur entsprechend der von den Parteigremien festgelegten Reihenfolge wählen können.

Für österreichische Wählerinnen und Wähler ist es möglich, bei der Wahl zum Europäischen Parlament eine Vorzugsstimme zu vergeben. Dafür muss man in dem auf dem Stimmzettel vorgesehenen Feld den Namen oder die Reihungsnummer des Kandidaten eintragen, dem man seine Vorzugsstimme geben möchte. Um gültig zu sein, muss die Kandidatin oder der Kandidat aber jener Partei angehören, die auf dem Stimmzettel angekreuzt wurde. Mehrfachnennungen sind nicht möglich.

Novellierung der EU-Wahlordnung

Die Grenze, ab der ein Kandidat aufgrund seiner Vorzugsstimmen vorgereiht wird, lag bisher in Österreich bei sieben Prozent der für eine Partei abgegebenen Stimmen. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats stimmte Anfang des Jahres für eine Senkung der Vorzugsstimmen-Hürde: Nun werden bereits Kandidaten, die fünf Prozent der auf ihre Partei entfallenden Stimmen als Vorzugsstimmen erhalten, auf Platz eins vorgereiht.

Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP setzten die neue Regelung gemeinsam mit dem Team Stronach und den Neos um – FPÖ und Grüne stimmten dagegen. Während die FPÖ ihre Ablehnung mit einer mit der Neuerung einhergehenden Erleichterung der Briefwahl begründete, gaben die Grünen an, der Gesetzesbeschluss zu den Vorzugsstimmen sei ihnen zu kurzsichtig, da das geltende System dazu führe, dass der Anteil an Frauen im Parlament sinke. (maa, fin, derStandard.at, 24.4.2014)