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Ein Ukip-Plakat: "Wer regiert das Land wirklich? 75 Prozent unserer Gesetze werden jetzt in Brüssel gemacht."
Ein Poster zeigt einen bettelnden Bauarbeiter, daneben die Schlagzeile: "Die Folge der EU-Politik - uneingeschränkte billige Arbeitskräfte kommen britische Arbeiter teuer zu stehen". Ein anderer Slogan kreischt: "26 Millionen Europäer sind arbeitslos. Und wessen Job wollen sie haben?" Daneben deutet ein ausgestreckter Zeigefinger auf die Betrachter.
Mit neuen Parolen gegen Immigranten vom Kontinent eröffnete die EU-feindliche Uki-Partei (United Kingdom Independence Party, Ukip) im nordenglischen Sheffield in dieser Woche die heiße Phase des EU-Wahlkampfes. Dabei geriet Parteichef Nigel Farage in Erklärungsnöte, weil er seine deutsche Frau als Sekretärin beschäftigt. "Gibt es keine Britin, die diesen Job machen könnte?", fragte der BBC-Chefkommentator vor laufender Kamera den stotternden Nationalpopulisten.
Die Motive der Plakataktion stammen von dem früheren Industriellen Paul Sykes. Der überzeugte Antieuropäer unterstützte früher die regierenden Konservativen von Premier David Cameron. Jetzt hat er umgerechnet 1,83 Millionen Euro in die Hand genommen, um den Nationalpopulisten zum Durchbruch zu verhelfen.
In den Umfragen zur Europawahl liegt Ukip hinter der Labour-Opposition und deutlich vor den Koalitionsparteien auf Rang zwei. Weil in den vergangenen 15 Jahren rund drei Millionen EU-Bürger, vorwiegend aus Mittel- und Osteuropa, ins Land kamen, punktet die Partei mit ihren Anti-Einwanderungs-Parolen.
EU-Befürworter weisen gern auf die große Anzahl von Briten hin, die zumeist in sonnigeren Ländern Europas leben. Deren Anzahl wird vom Thinktank IPPR auf 2,2 Millionen geschätzt. Beinahe ebenso viele Bürger anderer EU-Staaten konzentrieren sich in Großbritannien: Der Statistikbehörde ONS zufolge beträgt deren Gesamtzahl 2,34 Millionen. Einer detaillierten EU-Studie zufolge nehmen von den erwachsenen EU-Immigranten 70 Prozent am Erwerbsleben teil, unter Briten liegt der Anteil bei 57 Prozent. Interessanterweise klagen ausgerechnet Firmen der Baubranche - Zielscheibe des Ukip-Plakates - über eklatanten Mangel an britischen Facharbeitern. Von solchen Fakten lässt sich Vize-Parteichef Paul Nuttall ebenso wenig beirren wie von der Frage, ob denn wirklich alle 26 Millionen EU-Arbeitslosen auf die Insel strebten. Er klagt über sinkende Reallöhne, spricht von völlig offenen Grenzen und sagt: "Wir haben die Bevölkerung auf unserer Seite."
Mit Letzterem dürfte er recht haben. Einer Analyse der BBC zufolge wollten in einer Umfrage des respektierten NatCen-Instituts 77 Prozent die jährliche Netto-Einwanderung von zuletzt 212.000 Menschen reduzieren, 56 Prozent sprachen sich für eine "deutlich niedrigere Zahl" aus. (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 24.4.2014)