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Nach Angaben von Transparency International glauben 70 Prozent der EU-Bürger, dass Korruption in den EU-Institutionen verbreitet ist.

Foto: Reuters/Ulas Yunus Toslin

Brüssel - Immer mehr Entscheidungen in der Europäischen Union fallen nach einer Studie der Organisation Transparency International hinter verschlossenen Türen. Der Direktor des EU-Büros der Organisation, Carl Dohan, sagte bei der Vorstellung eines Reports über die Korruptionsrisiken in der EU in Brüssel, es gebe einen alarmierenden Trend.

So hätten allein in der Legislaturperiode von 2009 bis 2014 1.549 informelle Trilog-Treffen im Europäischen Parlament stattgefunden, bei denen Vertreter des EU-Parlaments, des EU-Ministerrates und der EU-Kommission über die Details der Gesetzgebung beraten haben. Dies seien genau jene Treffen, bei denen die wirklichen Entscheidungen getroffen würden, oft verbunden mit einem Abtausch von Interessen. Bei diesen Treffen sei oft nicht klar, wo sie stattfinden und wer daran teilnehme, öffentliche Aufzeichnungen existierten nicht, beklagt die Organisation. "Es ist nicht so, dass das niemand weiß, aber es ist eine Frage von privilegiertem Zugang", sagte Dohan.

Das Europäische Parlament sei die einzige EU-Institution gewesen, das für die Korruptionsstudie eine Zusammenarbeit mit Transparency International verweigerte, sagte Dohan. Der Bericht sei der erste dieser Art und verfolge nicht das Ziel, die EU mit den Staaten oder anderen Einrichtungen zu vergleichen, sondern das Risiko für Korruption in den Institutionen aufzuzeigen.

Intransparenz beim Lobbying

Nur eine EU-Institution - die Europäische Kommission - verfügt nach Untersuchungen von Transparency über wirksame Regeln zum Schutz von internen Informanten (whistleblower). Als eine der größten Gefahren für Korruption sieht die Organisation Intransparenz beim Lobbying in der EU. Für die rund 15.000 Lobbyisten in Brüssel gebe es noch immer keine verpflichtenden Regeln bezüglich Kontakt und ihres Einflusses auf die Gesetzgebung. Transparency fordert, das bestehende EU-Lobbyistenregister handhabbarer zu machen und auch auf den EU-Ministerrat und die Ständigen Vertretungen der EU-Staaten in Brüssel auszuweiten.

Ein weiterer Kritikpunkt von Transparency ist die schwache Überprüfung von Interessenskonflikten bei Europaabgeordneten und Kommissaren. Es gebe keine Beweise, dass die Erklärung der finanziellen Interessen tatsächlich geprüft werde, vielmehr dürfte dies großteils einfach abgehakt werden, sagte der Leiter der Studie, Mark Perera.

Für korrupte Unternehmen gebe es nur schwache Sanktionen, lautet ein weiterer Vorwurf von Transparency. Bis 2013 seien nur sieben Unternehmen von öffentlicher EU-Ausschreibung ausgeschlossen worden. Im Vergleich dazu habe die Weltbank von 2010 bis 2013 30 EU-Akteure ausgeschlossen.

Inkonsequente Strafverfolgung

Außerdem gebe es eine inkonsequente Strafverfolgung. So würden nur 46 Prozent der vom EU-Betrugsbekämpfungsamt OLAF untersuchten Fälle von den Justizbehörden der EU-Staaten weiter verfolgt. Als Beispiel nennt Transparency die Affäre um als Lobbyisten getarnte Enthüllungsjournalisten der britische "Sunday Times", die zu völlig unterschiedlichen Konsequenzen in Österreich, Rumänien und Slowenien geführt habe. Als Grund für die Nachlässigkeit sieht Dohan die komplizierten Regelungen und eine Tendenz der EU-Institutionen, Probleme durch Selbstregulierung und nicht wirklich unabhängige Beratergremien lösen zu wollen.

Nach Angaben von Transparency International glauben 70 Prozent der EU-Bürger, dass Korruption in den EU-Institutionen verbreitet ist. Die Zahl der Anfragen zur Veröffentlichung von Dokumenten variiert beträchtlich: So erhielt die EU-Kommission 2012 6.014 Aufforderung zur Freigabe von Dokumenten, der Europäische Gerichtshof hingegen nur drei. Die meisten EU-Institutionen müssen innerhalb von 15 Tagen antworten. Im Register des Rates sind nach Angaben der Organisation 13.184 Dokumente nur eingeschränkten Gruppen zugänglich. In 22 Fällen wurde die Immunität von Europaabgeordneten seit 2009 aufgehoben. (APA, 24.4.2014)