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Am Chlorhuhn reiben sich die Gegner eines Freihandelsabkommen mit den USA.

Foto: epa/simanjuntak

Kaum etwas taugt besser, um die Gefahren einer zu engen Partnerschaft mit den USA zu illustrieren, als das Chlorhuhn. Durch das Freihandelsabkommen mit Amerika werden die Einfuhrbestimmungen für Lebensmittel in Europa gelockert, sagen die Kritiker des Abkommens. Chlorhühner dürfen nicht auf "österreichischen Tellern landen", fordert SPÖ-Spitzenkandidat Eugen Freund. Greenpeace ortet in den USA einen Druck der "Chlorhuhn-Lobby", mit dem die hohen Standards in Österreich aufgeweicht werden sollen.

Aber was ist das Chlorhuhn überhaupt, und warum ist es gefährlich? Tatsächlich spricht einiges dafür, dass in der Debatte viel Panikmache betrieben wird. Richtig eingesetzt, ist Chlor in der Landwirtschaft nicht gesundheitsgefährdend. Zugleich aber ist die Diskussion einseitig auf Amerika konzentriert: Denn auch in Österreich kommt das Mittel in der Landwirtschaft zum Einsatz. Hier ist die Chlorung nicht einmal gesetzlich reguliert.

In den USA werden chlorhaltige Stoffe, zumeist Chlordioxid, bei der Dekontamination in der Geflügelindustrie eingesetzt. Nach der Schlachtung müssen die Hühner rasch gekühlt werden. Während dies in Europa mit einem Luftgemisch geschieht (billiger), wird in den USA Wasser eingesetzt. Damit sich Bakterien wie Salmonellen im Wasser nicht ausbreiten können, wird das Chlorgemisch eingesetzt. Das reinigt zugleich das Geflügelfleisch. Doch in Europa ist der Import von gechlorten Hühnern seit 1997 verboten, der Einsatz des Mittels nach der Schlachtung untersagt.

Konsumentenschützer sehen im Chlor ein Ausputzmittel, mit dem US-Bauern die unhygienischen Bedingungen in der Massentierhaltung ausgleichen. Solange man am Ende Chlor reinleeren kann, muss niemand sich groß um die Haltebedingungen kümmern.Zugleich ist Chlordioxid kein harmloses Mittel: In kleinster Konzentration ist es im Wasser ätzend und tötet Bakterien ab. Beim Menschen greift es in höheren Dosen Schleimhäute an und wirkt toxisch. Bei der Herstellung muss penibel darauf geachtet werden, dass das Mittel nicht an die Luft gelangt: Das Gemisch zerstört Lungengewebe und ist explosiv.

Der Absatz wächst

Ein Mann, der diese Risiken gut kennt, ist Markus Miniberger. Er ist Geschäftsführer des oberösterreichischen Unternehmens Ludwig Wassertechnik. Die Firma verkauft unter anderem Wasserdesinfektionsanlagen für die Tierzucht in Österreich. Mittel der Wahl bei Schweine-, aber auch Hühner- und Rindertränken ist Chlordioxid. Wie verbreitet die Anlagen sind, kann Miniberger schwer einschätzen. "Doch der Absatz wächst."

Vor allem große Zuchtbetriebe würden vom Einsatz des Mittels profitieren: je mehr Tiere, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass Fäkalbakterien über die Nase ins Wasser gelangen. Die Keime siedeln sich dann in den Leitungen an und breiten sich aus.

Bemerkenswert ist, dass der Einsatz von Chlordioxid im Tränkwasser für Tiere in Österreich gesetzlich nicht geregelt ist. Dabei kommt alles auf die Dosierung an. Chlordioxid kann auch zur Keimtötung in menschlichem Trinkwasser eingesetzt werden, in den USA ist das üblich.

Hier gelten aber strengste Dosiernormen: So ist die Zugabe von höchstens 0,4 Milligramm ClO2 pro Liter erlaubt. Die Qualität des Wassers unterliegt permanenten behördlichen Kontrollen.

In der Viehzucht fehlen nicht nur Vorgaben, auch Kontrollen auf Chlorierung wurden bisher nicht durchgeführt, heißt es bei der Behörde für Lebensmittelsicherheit Ages. Die EU-Gesundheitsagentur hat zwar bisher keinen Beleg gefunden, dass Chlordioxid Fleisch kontaminiert. Eine Diskussion dreht sich um die Frage, ob das Mittel Proteinstrukturen der Tiere verändert. Die EU-Behörde konnte aber auch nicht alle Bedenken ausräumen.

In Österreich muss der Chlordioxid-Einsatz nicht gekennzeichnet werden. Selbst dem Biogütesiegel widerspricht er nicht. Bei der Ages argumentiert man, dass die Lücke nicht problematisch sei: Aus den allgemeinen Tierhalte-Bestimmungen lasse sich ableiten, dass Tränkwasser sauber sein muss. Mit dem Großeinsatz von Chlor in den USA lasse sich die Entkeimung in Österreich nicht vergleichen. Der Unternehmer Miniberger legt strengste Maßstäbe an - seine Anlagen dosieren nach für Menschen geltenden Normen.

Chlorhuhnfrei ist Österreich streng genommen trotzdem nicht. Wenn es stimmt, dass die Zahl der Anlagen zunimmt, dürfte der Ruf nach Regelungen bald laut werden. Es geht schließlich um die "österreichischen Teller". (András Szigetvari, DER STANDARD, 25.4.2014)