Isabelle Huppert als Alter Ego der Regisseurin.

Foto: Crossing Europe

Linz - Mit dem Körper war es in den Filmen der französischen Regisseurin Catherine Breillat schon immer eine komplizierte Angelegenheit. Ihren weiblichen Figuren macht ihr Begehren zu schaffen, sie erleiden ihre Sexualität mehr, als sie zu genießen. Romance, der Film, mit dem Breillat in Deutschland und Österreich breit rezipiert wurde, erzählt von einer Frau, die beginnt, ihren sexuellen Fantasien außerhalb ihrer Beziehung nachzugehen. Die expliziten Szenen des Films haben 1999/2000 einige Debatten ausgelöst. In Anatomie de l'enfer (2004) bezahlt eine Frau einen homosexuellen Mann dafür, den Blick auf ihr nacktes Geschlecht zu richten.

Normierte Blicke auf Geschlechtlichkeit und die Zwänge, die damit einhergehen, hat Breillat kompromisslos wie kaum eine andere Filmemacherin nicht nur ausgeweitet, sondern auch durchbrochen. Im Zentrum von Abus de faiblesse (Abuse of Weakness), ihrem jüngstem Film, der bei Crossing Europe seine Österreich-Premiere hat, steht wieder ein Abhängigkeitsverhältnis, allerdings unter völlig anderen Voraussetzungen:

Die von Isabelle Huppert verkörperte Hauptfigur Maud, eine Regisseurin, erleidet zu Beginn des Films einen Schlagabfall. Breillat ist dies 2004 selbst widerfahren - auch ihre Begegnung mit dem Trickbetrüger Christophe Rocancourt, der in Frankreich zu Ruhm gelangte, ist verbürgt. Er lockte der Regisseurin rund 700.000 Euro aus der Tasche - davor hatte er schon Mickey Rourke und Jean-Claude van Damme an der Nase herumgeführt.

"Ja, ich kenne diese Geschichte sehr gut, von A bis Z", erzählt Breillat im Standard-Gespräch. "Aber ich kannte den Film dazu nicht. Den musste ihn erst drehen. Mich haben stets Vorfälle in meinem Leben inspiriert, auch ,fait-divers' aus dem Leben anderer." Um die filmische Erfahrung zu gewährleisten, erspart Breillat sich und dem Zuschauer in Abus de faiblesse wenig. Die ersten zwanzig Minuten sind die schwierigsten: Huppert, zuerst vollkommen bewegungsunfähig, erlernt mit viel Disziplin wieder Kontrolle über ihren Körper.

"Nach dem Schlaganfall", so Breillat, "ist Maud sie selbst und wieder nicht. Gäbe es die körperliche Einschränkung nicht, gäbe es keine Geschichte. Mauds Körperkraft hat nachgelassen, die ihres Selbst nicht. Nun entscheidet sie sich für diesen starken Körper eines Schauspielers, um ihren Film realisieren zu können."

Rocancourts Part wird in Abus de faiblesse vom Rapper Kool Shen übernommen - im Film heißt er Vilko Piran -, dessen eher statuarisches Spiel gibt ein interessantes Gegengewicht zu Huppert ab. Beide sind stark - sie eher zäh und widerstandsfähig, er dafür kräftig wie eine Mauer. Breillat vergleicht das Verhältnis der beiden Figuren mit der Parabel von dem Frosch und dem Skorpion, die bei dem Versuch, einen Fluss zu überqueren, ertrinken: "Es gibt in beiden etwas, dass stärker als sie ist. Das macht ihre Beziehung ambivalent. Echte Freundschaft verbindet sie, aber die Natur ist eben die Natur."

Schwierige Verhältnisse

Warum Maud auf die immer drängenderen finanziellen Forderungen Vilkos eingeht, bleibt im Film unausgesprochen. Er habe ihr Leben leichter gemacht, meint Breillat: "Und in einer bestimmten Hinsicht weiß sie vielleicht, dass er ein Dieb ist. Zugleich denkt sie wohl, er müsse ihr ja nichts stehlen. Wenn man einem Frauenhelden verfällt, glaubt man ja auch, man würde die Ausnahme sein."

Nicht ganz unkompliziert war auch das Verhältnis Breillats zu ihrem Star, Isabelle Huppert: "Ich war harsch und gemein zu ihr, erst nach ein paar Tagen ging es dann besser. Aber wir brauchten diese anfängliche Erfahrung, um diese Leidenschaft entwickeln zu können." Das Faszinierende an Huppert sei, so Breillat, dass sie nach jedem Take umstandslos wieder zu Huppert werde: "Andere Schauspieler stecken so viel von ihrem Selbst in eine Rolle, dass etwas zurückbleibt. Sie leiden. Huppert nicht, sie ist unzerstörbar." (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 25.4.2014)