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Was, wenn die eigene Tochter sich in einen armen, perspektivlosen Asylwerber verliebt – noch "schlimmer", einen Schwarzen? Dieser Frage geht der Comic beziehungsweise der gezeichnete Roman der Belgierin Judith Vanistendael nach. Die Graphic Novel mit dem Untertitel "Sofie und der schwarze Mann" skizziert anhand der Liebesgeschichte zwischen Sofie, einer wohlsituierten flämischen Belgierin, und dem togolesischen Flüchtling Abou mit unsicherem Aufenthaltsstatus den Zustand der europäischen Migrationspolitik.

Trotz allem sozialen Engagement, das man der Autorin mit diesem Anspruch durchaus unterstellen kann, bleibt doch anfangs die persönliche Perspektive und das Schicksal des Flüchtlings zu oft Randthema. Im Mittelpunkt stehen Sofie und ihre Eltern und wie sie mit der Liebe zwischen vermeintlich Ungleichen fertig werden. Abous Schwierigkeiten stellen oft einen Anker oder Startpunkt für die Abenteuer und charakterliche Entwicklung der weißen Figuren dar.

Mit Kleinigkeiten hadern

In der Graphic Novel stehen sich als wichtigste Konflikte die Vorurteile und Rassismen der Belgier, die diese durch die Liebesgeschichte nach und nach abarbeiten, und Abous Existenzängste und Traumata gegenüber. Doch die Gewichtung der Problematiken gerät bei Vanistendael in eine bizarre Schieflage. "Pas de problème, pas de problème!", quittiert Abou zunächst fröhlich und gelassen alle (existenziellen) Schwierigkeiten, während die belgische Familie Seitenlang mit ihrer eigenen Voreingenommenheit und Kleinlichkeit hadert.

Erst später wird aus dem "schwarzen Mann" an Sofies Seite Abou: ein dreidimensionaler, eigenständiger Charakter mit einer Geschichte, Träumen und Hoffnungen. Problematisch bleiben aber durchgehend die zeichnerischen Entscheidungen, was Darstellung von Schwarzen bzw. den im Buch etwas undifferenziert kategorisierten "Afrikanern" angeht.

Balanceakt und Klischee

Bei der Darstellung von People of Color in Comics handelt es sich nämlich meist um einen Balanceakt auf einem extrem schmalen Grat. Es ist – und bleibt auch für Vanistendael – dem Medium noch sehr schwer, verschiedene Menschengruppen darzustellen, ohne ins klischeehafte und sogar rassistische abzugleiten. Abou jedenfalls ist leider was die Bildsprache angeht mit den stereotypischen äußerlichen Merkmalen ausgestattet, die schwarze Menschen degradieren.

Der radikale Verzicht auf jegliche Farben und Schattierungen im Schwarzweiß-Comic mag vielleicht dem Thema entsprechen. Es macht es nur quasi unmöglich, auf andere Darstellungsmethoden als die kolonialistische Bildsprache zurückzugreifen: übergroße, helle Lippen und Augäpfel auf zu kleinen pechschwarzen und immer gleich aussehenden Köpfen. Das haben schon viele andere Graphic Novels um einiges besser gemacht.

Ironische Durchschläge, die auf ein Bewusstsein dieser Problematik hindeuten könnten, sucht man bei Vanistendael vergeblich. Wenigstens bleibt das Buch seinem Titel treu und legt nachvollziehbar dar, warum die bürokratischen Behördenspiegelkabinette Franz Kafkas kaum jemandem so schmerzlich bekannt sind wie Flüchtlingen. Leider ist "Kafka für Afrikaner" neben einigen Pointen nur ein weiteres Buch darüber, wie schwer es Weißen doch fällt, mit Schwarzen und ihrem Schicksal klarzukommen. (Olja Alvir, daStandard.at, 25.4.2014)