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Der Marsch der Befürworter einer Festplattenvergütung im Oktober 2012 hat noch nichts gefruchtet: Die Abgabe lässt noch auf sich warten - obwohl sie eigentlich verpflichtend wäre.

Foto: APA/Georg Hochmuth

Wien - Ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum Urheberrecht (C-435/12) wurde von Anwälten zum Anlass genommen, zu behaupten, die "Festplattenabgabe" stünde nicht mehr zur Diskussion, weil alle unzulässigen Privatkopien nicht berücksichtigt werden dürfen, und der verbleibende Rest Vergütungszahlungen nicht mehr rechtfertige. Diese Aussage von Lukas Feiler und Andreas Schnider (DER STANDARD, 14. 4. 2014) bedarf der Korrektur.

Vorausgeschickt sei, dass die Leerkassettenvergütung einem gerechten Anliegen dient und unionsrechtlich zwingend vorgegeben ist. Sie dient als wirtschaftlicher Ausgleich für die zulässige Privatkopie, wobei die EU-Mitgliedstaaten für ein funktionierendes und in finanzieller Hinsicht ausreichendes System zu sorgen haben (Ergebnispflicht).

An die Stelle der ursprünglich im Vordergrund stehenden (analogen) "Leerkassetten" sind heute vor allem digitale Speichermedien wie CDs, DVDs, USB-Sticks etc. getreten. Dagegen waren Computer-Festplatten bis zuletzt nicht vergütungspflichtig, weil der Oberste Gerichtshof in einer Entscheidung 2005 meinte, diese würden "multifunktional" verwendet werden, was m. E. nicht überzeugt und auch für die Reprografievergütung keine Rolle spielt. Da Festplatten immer öfter auch für Privatkopien verwendet werden, hat die fehlende Vergütungspflicht zu einer dramatischen Reduktion der Einnahmen aus der Leerkassettenvergütung geführt - auf knappe sechs Millionen Euro im Zeitraum April 2013 bis März 2014. Dem hat der OGH vor kurzem auch Rechnung getragen und Computer-Festplatten grundsätzlich in die Vergütungspflicht einbezogen. Die Festplattenvergütung ist deshalb geltendes Recht und nicht ein erst zu diskutierendes Zukunftsprojekt; sie ist für einen ausreichenden Ausgleich unverzichtbar.

Nun zur These von Feiler und Schnider: Es ist unrichtig, dass im Internet überwiegend illegitime Quellen zur Verfügung stehen. Unzählige Musikwerke, Texte, Filme und Fotos sind dort rechtmäßig zugänglich, auf Websites, über Internet-Radios, Simulcasts und Podcasts sowie auf legitimen - teils frei zugänglichen, teils kostenpflichtigen - Plattformen und aufgrund von Creative-Commons-Lizenzen. Dazu hat der EuGH klargestellt, dass es eine (ausdrückliche oder stillschweigende) Zustimmung des Urhebers nicht zu berücksichtigen ist, weil die Einwilligung zu einer Nutzung, die aufgrund des Gesetzes frei ist, irrelevant ist.

Das Internet ist auch nicht die einzige Quelle für Privatkopien, die so wie bisher in großem Ausmaß von bespielten Musik-CDs, DVDs, vom Hörfunk und Fernsehen etc. vorgenommen werden - in zunehmendem Maß eben auf Festplatten. Dazu liegen auch Untersuchungen vor, wonach etwa der Anteil der über Filesharing kopierten Musik-Files für Desktop-PCs, Tablets und Multimedia-Festplatten nur zwischen fünf und elf Prozent liegt. Der durch die Privatkopie entstehende "Schaden" ist deshalb keineswegs als "geringfügiger Nachteil" zu vernachlässigen.

Wenn der OGH einmal angedeutet hat, dass die Einhebung der Leerkassettenvergütung auch auf unrechtmäßige Privatkopien erwogen werden könnte, so war diese Ansicht nicht endgültig, wurde dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt und nun durch das vorliegende Urteil verneint. Das Thema ist nicht neu und wurde bei den Verhandlungen zwischen Verwertungsgesellschaften und Zahlungspflichtigen berücksichtigt. Letztere argumentierten stets, dass Kopien aus illegitimen Quellen bei der Vergütungsbemessung nicht zu berücksichtigen sind.

Durchsetzung liegt im Argen

Das jüngste EuGH-Urteil stellt aber auch klar, dass Privatkopien aus unrechtmäßiger Quelle Rechtsverletzungen sind, die durch die Leerkassettenvergütung nicht legitimiert und gerichtlich verfolgt werden können. Dies setzt allerdings ein auch im digitalen Umfeld funktionierendes Rechtsdurchsetzungssystem voraus, das in Österreich im Argen liegt und dringend reformiert werden müsste. Da eine individuelle Verfolgung von Privaten - vom Setzen weniger Exempel abgesehen - weder machbar noch besonders populär wäre, sollte überlegt werden, solche Kopien in Zukunft zwar nicht durch eine Vergütung auf Speichermedien zu legitimieren, aber den vom EuGH betonten "Schaden" durch ein pauschales Zusatzentgelt zumindest ansatzweise auszugleichen - als Anzahlung auf das für Rechtsverletzungen zustehende angemessene Entgelt. Dies könnte etwa in der Form einer ergänzenden "Breitbandvergütung" erfolgen, die auch zielgenauer auf Internetnutzer abstellen würde.

Davon abgesehen sollte auch das Zurverfügungstellen von Speicherplatz in der Cloud vergütungspflichtig sein, damit das System der Leerkassettenvergütung nicht durch das Auslagern von Speichervorgängen brüchig wird. Denn dann käme Österreich seiner Ergebnispflicht nicht mehr nach. (Michel Walter, DER STANDARD, 28.4.2014)