Künstlerische Darstellung eines dicht benachbarten Paares von Schwarzen Löchern.

Illu: ESA/C. Carreau

Peking/Bonn - Zum ersten Mal haben Astronomen ein Doppelsystem von Schwarzen Löchern im Kern einer nicht aktiven Galaxie nachgewiesen. Die Entdeckung mit Hilfe des europäischen Röntgensatelliten XMM-Newton gelang den Forschern durch Zufall, ein Trick half jedoch dabei, wie sie aktuell im Fachblatt "Astrophysical Journal" berichten.

Man nimmt an, dass die meisten großen Galaxien mindestens ein massereiches Schwarzes Loch in ihrem Zentrum aufweisen. Zwei Schwarze Löcher in ihrem Inneren gelten als eindeutiger Beweis dafür, dass eine Galaxie durch die Verschmelzung ("merger") von zwei Galaxien entstanden ist. Das Aufspüren von Systemen mit jeweils zwei supermassereichen schwarzen Löchern gibt somit Aufschlüsse darüber, wie die Galaxien im Universum sich zu ihrem heutigen Erscheinungsbild in Ausdehnung und Gestalt entwickelt haben.

Bis heute konnten nur eine Handvoll Kandidaten für Paare von supermassereichen Schwarzen Löchern gefunden werden, die in den Zentren von Galaxien in geringem Abstand umeinander rotieren. Bisher war das ausschließlich in aktiven Galaxienkernen der Fall, in denen die Schwarzen Löcher ständig Gaswolken auseinanderreißen, bevor sie vollständig im Zentralobjekt verschwinden.

Schwieriger Nachweis

In Folge dieses Prozesses wird das Gas soweit aufgeheizt, dass es in zahlreichen Wellenlängenbereichen bis hin zur energiereichen Röntgenstrahlung aufleuchtet. Das führt zu einem ungewöhnlich leuchtkräftigen Zentralbereich dieser Galaxien, die man auch als "aktive Galaxien" oder "aktive Galaxienkerne" bezeichnet. Die neue Entdeckung, über die Fukun Liu von der Peking-Universität in China und seine Kollegen berichten, ist dewegen so wichtig, weil hier zum ersten mal ein Paar von supermassereichen Schwarzen Löchern in einer nicht aktiven Galaxie gefunden wurde.

"Es könnte eine ganzen Population von nicht aktiven Galaxien geben, die binäre Schwarze Löcher in ihren Zentren aufweisen", sagt Stefanie Komossa vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, Ko-autorin der Studie. Der Nachweis dafür sei allerdings sehr schwierig, da hier keine Gaswolken zur regelmäßigen "Fütterung" der Schwarzen Löcher beitragen und die Kernbereiche dieser Galaxien somit dunkel bleiben würden.

Damit bleibt den Astronomen nur eine einzige Hoffnung, solche Schwarzen Löcher nachzuweisen: Sie müssen im richtigen Moment auf die richtige Stelle blicken, nämlich gerade dann, wenn eines dieser Schwarzen Löcher aktiv wird, indem es einen Stern auseinanderreißt, der ihm zu nahe gekommen ist. Einen solchen Vorgang bezeichnet man als "Tidal Disruption Event" (Zerreißung des Sterns durch Gezeitenkräfte), im Zuge dieses Ereignisses erfolgt ein starker Ausbruch von Röntgenstrahlung.

Aufnahme während Schwenkbewegung

In einer aktiven Galaxie wird das zentrale schwarze Loch kontinuierlich durch Gaswolken gefüttert. In einer ruhigen Galaxie erfolgt hingegen die Aufnahme von Materie nur sporadisch durch ganze Sterne, die der Zentralquelle zu nahe kommen. Ein solcher Vorgang tritt nur unregelmäßig auf und ist unmöglich vorherzusagen. Um die Chancen zu erhöhen, ein derartiges Ereignis beobachten zu können, nutzen die Forscher den Röntgensatelliten XMM-Newton der Europäischen Raumfahrtagentur ESA auf neuartige Weise.

Normalerweise nimmt das Röntgenobservatorium Daten von vorgegebenen Positionen am Himmel auf, und zwar jeweils nur eine pro Zeitintervall. Sobald eine Beobachtung abgeschlossen ist, schwenkt das Teleskop zur nächsten Position. Der Trick ist nun, dass während der Schwenkbewegung die Instrumente des Röntgensatelliten eingeschaltet bleiben und weiter aufzeichnen. Auf diese Weise wird eine große Anzahl von zufällig verteilten Positionen am Himmel erfasst und diese Daten können in Bezug auf bisher unbekannte oder unerwartete Quellen von Röntgenstrahlung am Himmel analysiert werden.

Am 10. Juni 2010 wurde von XMM-Newton ein solches Ereignis in Richtung der Galaxie SDSS J120136.02+300305.5, in ca. zwei Milliarden Lichtjahren Entfernung aufgezeichnet. Stefanie Komossa und ihre Kollegen hatten die Röntgendaten speziell auf derartige Vorgänge untersucht und waren in der Lage, Nachfolgebeobachtungen der Röntgenstrahlung dieser Galaxie mit den Satelliten XMM-Newton (ESA) und Swift (NASA) binnen weniger Tage anzusetzen.

Schwankendes Röntgensignal

Von der Galaxie wurde immer noch Röntgenstrahlung abgegeben. Die Beobachtungen stimmten zunächst voll mit dem erwarteten Erscheinungsbild für das Auseinanderreißen eines Sterns durch ein extrem massereiches Schwarzes Loch überein. Bei der Aufzeichnung der langsam schwächer werdenden Röntgenstrahlung nach einigen Tagen folgte jedoch eine Überraschung: Das Röntgensignal fiel zwischen den Tagen 27 und 48 nach der Entdeckung plötzlich unter die Nachweisgrenze. Dann wurde es wieder sichtbar und folgte weiterhin einer erwarteten Abschwächung, als ob nichts geschehen wäre.

"Es ist genau das, was wir von einem Paar sich umkreisender supermassereicher Schwarzer Löcher erwarten würden", sagt Fukun Liu. Der Astronom hatte schon in früheren Modellrechnungen von Paaren von Schwarzen Löchern vorhergesagt, dass die Röntgenstrahlung plötzlich verlöschen und wenig später wieder messbar sein würde. Der Grund dafür ist, dass die Gravitation von einem der Schwarzen Löcher den Materiefluss auf das andere unterbricht und damit zeitweise die Brennstoffversorgung für den Ausbruch von Röntgenstrahlung aufhebt.

Hoffnung auf neue Entdeckungen

Die Forscher wollen nun alles daran legen, weitere mögliche binäre Schwarzer Löcher in einer nicht-aktiven Galaxie aufzuspüren, die systematischen XMM-Newton-Beobachtungen werden fortgesetzt. Längerfristig soll ein größeres Netzwerk von Röntgenteleskopen zur Suche nach solchen Ereignissen eingesetzt werden. "Mit tausenden von solchen Ereignissen wären wir in der Lage, verlässliche statistische Aussagen darüber abzuleiten, in welcher Rate Galaxien miteinander verschmelzen", so Komossa.

"Der innovative Ansatz mit Beobachtungen während der Schwenks von XMM-Newton hat die Entdeckung dieses Systems mit zwei supermassereichen Schwarzen Löchern erst möglich gemacht", schließt Norbert Schartel, Forscher des XMM-Newton-Projekts der ESA. "Es zeigt die wichtige Rolle von langlebigen Weltraumobservatorien bei der Entdeckung von derart seltenen Ereignissen, die vielleicht einen neuen Forschungsbereich in der Astronomie eröffnen." (red, derStandard.at, 27.4.2014)