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Jedes Jahr erleiden fünf von 1.000 Menschen in den Industriestaaten einen Bandscheibenvorfall. Bei den meisten helfen konservative Therapiemaßnahmen, doch etwa ein Drittel der Patienten muss  operiert werden.

Foto: APA/GUENTER R. ARTINGER

Ein Bandscheibenvorfall ist meist eine Folge von Überlastung beziehungsweise altersbedingten Abbauprozessen der Bandscheiben. Diese liegen als eine Art "Stoßdämpfer" zwischen den Wirbeln. Verlieren sie an Elastizität, kann sich ihr innerer Kern nach außen wölben und auf den Wirbelkanal oder die Nervenwurzeln drücken. Dies kann starke Schmerzen oder Lähmungen verursachen. Am häufigsten kommt ein Bandscheibenvorfall an der Lendenwirbelsäule vor, er kann aber auch an jedem anderen Wirbel auftreten.

Notwendigkeit und Nutzen von operativen Eingriffen werden immer wieder in Frage gestellt. Sofern keine neurologischen Ausfälle wie Lähmungen vorliegen, sind konservative Therapien beim Bandscheibenvorfall – dazu zählen Schonung, Schmerz- und Physiotherapie – die Methode der ersten Wahl, stellen Experten im Vorfeld der 65. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) in Dresden klar. Studien zeigen aber auch, dass operierte Patienten sich etwa dreimal schneller erholen als nicht operierte.

Ernsthafte Komplikationen sollen selten auftreten

In diesem Zusammenhang warnen die Ärzte vor einer unnötigen Verunsicherung von Patienten: Sowohl bei der operativen als auch der konservativen Behandlung von Bandscheibenvorfällen sei die Rate ernsthafter Komplikationen gering. Wichtig sei jedoch eine individuelle Beratung. "Die Leitlinie der DGNC zum Bandscheibenvorfall der Lendenwirbel sieht vor, dass konservative Behandlungsansätze immer das Mittel der ersten Wahl sind", sagt Bernhard Meyer, Direktor der Neurochirurgischen Klinik der Technischen Universität München am Klinikum rechts der Isar.

Doch mitunter ist ein chirurgischer Eingriff unerlässlich: "Eine Operation ist beim Bandscheibenvorfall immer dann angezeigt, wenn Lähmungserscheinungen auftreten oder Blase oder Darm nicht mehr kontrolliert werden können", so der Neurochirurg. In allen anderen Fällen könne man operieren, müsse aber nicht. Diese Entscheidung gelte es für jeden Patienten einzeln abzuwägen.

Leider würden viele Betroffene im Hinblick auf die richtige Behandlung verunsichert, sagt Meyer, "dabei gibt es zur Therapie des Bandscheibenvorfalls zwei hervorragende Studien, die klare Fakten geschaffen haben und bei der Beratung von Patienten maßgebend sein sollten."

Rascherer Genesungsprozess

So verglichen im Rahmen der SCIATICA-Studie von 2007 Wissenschaftler zwei Gruppen von Patienten mit schwerem Bandenscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule: Eine Gruppe wurde konservativ behandelt, die andere frühzeitig operiert. Nach einem Jahr ging es 95 Prozent der Patienten aus beiden Gruppen vergleichbar gut. Allerdings hatten sich die Operierten schneller erholt und waren früher schmerzfrei.

Die Ergebnisse bestätigt die sogenannte SPORT-Studie, die ein Jahr zuvor erschienen war: Hier zeigten sich in Bezug auf den Gesundheitszustand nach zwei Jahren kaum Unterschiede zwischen den frühzeitig operierten und den nicht operierten Patienten. Doch verlief der Genesungsprozess bei den Operierten rascher ab, auch die körperlichen Funktionen verbesserten sich schneller.

Geringfügige Komplikationen bei zwei bis vier Prozent

"Jedes Jahr erleiden fünf von 1.000 Menschen in den Industriestaaten einen Bandscheibenvorfall", sagt Meyer. "Bei vielen helfen Schmerzmittel und Physiotherapie – doch etwa ein Drittel der Patienten erreicht mit diesen konservativen Methoden langfristig keine ausreichende Schmerzfreiheit und muss doch operiert werden." Wie lange vor einer eventuellen Operation konservativ therapiert werden sollte, hänge immer auch vom Willen und der Lebenssituation des einzelnen Patienten ab, betont Meyer.

"Bei der Behandlung von Bandscheibenvorfällen kommt es weder durch langfristige konservative Therapien vermehrt zu irreversiblen Nervenschäden, noch ist die operative Behandlung überdurchschnittlich riskant", so der DGNC-Experte. Die Rate geringfügiger Komplikationen liegt laut SCIATICA- und SPORT-Studie bei zwei bis vier Prozent.

"Wer sich unsicher ist, sollte sich von einem zweiten Arzt beraten lassen", ergänzt Gabriele Schackert, Direktorin der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Dresden und Präsidentin der 65. Jahrestagung der DGNC. (red, derStandard.at, 28.4.2014)