Wenn Zeit Geld ist, dann haben es die wirklich Reichen immer eilig. Doch die Fertigung bei Bentley erfolgt in Handarbeit. Langsam, aber hochpräzise. Ein Besuch am Stammsitz

Autowerke ähneln einander in ihrer präzise getakteten Choreografie der Abläufe, wo zehntausende Teile parallel produziert, in einem Labyrinth von Förderbändern zueinander geführt, von Zulieferkomponenten ergänzt und von Robotern verschraubt, verschweißt, vernietet, verklebt werden. Der Mensch begleitet die Prozesse, legt nur mehr selten Hand an, ist mehr Beobachter und Kontrolleur denn Handwerker.

Foto: bentley

Das Ineinandergreifen immer gleicher Vorgänge fasziniert durch eine Atmosphäre kühler Technologie, durch Geschwindigkeit und Effizienz. Für den Bau ei­nes kompletten Autos vom ersten Blechteil bis zur letzten Qualitätsprüfung verstreichen weniger als 20 Stunden, die Tagesproduktion erreicht mehr als 2000 Stück.

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Auf diese zeit-, material- und gewinnmaximierte Weise entsteht das, was in millionenfacher Ausführung die Straßen der Welt bevölkert – unsere Autos von A wie Alfa Romeo bis V wie Volkswagen.

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In einer welligen, grünen Landschaft, wo Steinmauern die Schafweiden begrenzen und Hecken die Straßen schmal machen, im westlichen Mittelengland rund 70 km südlich von Manchester baut Bentley Autos. Drei Modelle. Den Continental GT als Sportcoupé und Cabrio, den Flying Spur als viertürige Variante davon und das Flaggschiff Mulsanne, diesen größtenteils per Handarbeit.

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Die Queen hat einen im Stall. Und für alle anderen kommen auch nur vergleichsweise eine Handvoll Menschen als Kunden in Betracht, die mindestens 200.000 Euro für eine standesgemäße Fortbewegung auszugeben bereit und imstande sind.

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Die Bentley-Fabrik in Crewe ist ein Hort des Kunsthandwerks nach alter britischer Tradition, dem auch die Übernahme durch den VW-Konzern 1998 nichts anhaben konnte. In Crewe ist man glücklich über die Allianz mit der deutschen Gründlichkeit und der modernen Technik, die in Leder vernäht und mit Wurzelholz verkleidet wird. Kein Bentley ist je untermotorisiert.

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Hier weht der Hauch der Heydays pionierhaften Rennsports, der von Gentlemen-Drivern vorgetragen wurde und als Bentley-Boys in die Geschichte von Le Mans und andere Stätten motorisierten Heldentums eingingen.

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Der Continental GT Speed gilt als schnellster 2+2-Sitzer mit nunmehr 650 PS, der staatstragende Mulsanne bringt es auf über 1000 Nm Drehmoment und ein ärgerliches Verrutschen des königlichen Hutes am gekrönten Haupt im Fond, wenn den Chauffeur der Hafer stechen sollte.

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Natürlich reiht sich auch hier in der großen Halle eine Karosse an die andere, trotzdem beträgt der Tagesoutput lediglich 40 Continentals und sechs Mulsannes. Einerseits braucht die Welt nicht mehr davon, denn Könige sind rar gesät, und von den Erdgasoligarchen, den Immobilientycoons, Industriellen, Internetgewinnern und Börsengurus gibt es auch nicht so viele.

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Andererseits brauchen die Künstler an den Lenkrädern schon einmal 37 Stunden für die Lederhülle, wenn die werte Kundschaft einen Kreuzstich wünscht. In der Zeit schraubt die Armee krakenarmiger Roboter in Wolfsburg zwei ganze Golfs zusammen.

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In Crewe duftet es nach Leder und Holz, die Tierhäute werden nach Mückenstichen und Verletzungen von Weidezäunen abgesucht und gnadenlos ausgeschieden, missfallen sie den Argusaugen des Prüfers. Allein 17 Häute werden für einen Mulsanne verarbeitet, am liebsten männliches Leder – Kühe könnten Schwangerschaftsstreifen mitbringen.

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Möchte ein Interessent der Fertigung seines Bentleys beiwohnen, wird ihm großzügig Einblick in die Fabrik gewährt.

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Genauso wie man bemüht ist, kuriosen Sonderwünschen nachzukommen. Wie zum Beispiel einer bestimmten Farbgebung, die ein Kunde von seinem helltürkisblauen Cocktailblender abnehmen ließ. Eine begüterte Dame orderte ihr Auto in der Farbe eines Nagellacks, den sie dem Bentley-Beauftragen allerdings nicht überlassen wollte. Der Mann fuhr mit lackierten Fingernägeln zurück nach Crewe. (Andreas Hochstöger, DER STANDARD, 2.5.2014)

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Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

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