Spielerische Elemente beim "Guardian": Berlusconi als Anziehpuppe.

Screenshot: Guardian

Multimedia-Cinquecento: Reporterwagen von "La Stampa", ausgestattet mit TV-Equipment und Satellitenschüssel.

Foto: Alexandra Föderl-Schmid aus Perugia

Das Journalismfestival in Perugia ist jedes Jahr eine Art Trendschau der Medienbranche: Im Vorjahr war Datenjournalismus das wichtigste neue Thema, heuer ist es Gamification. Damit ist die Einbindung von spielerischen Elementen in den Journalismus gemeint. Für den italienischen Medienberater Pier Luca Santoro ist dieser Weg der wichtigste, um junge Menschen überhaupt dazu zu bringen, das Onlineangebot von Medien anzuklicken.

"Junge Menschen tendieren dazu, sich ihre Nachrichten aus verschiedenen Quellen zusammenzusuchen. Nachrichten werden nur noch über soziale Netzwerke wahrgenommen", meint Santoro, der vor der Gründung seiner Firma Datamedia Hub bei der Zeitung La Stampa für Social Media zuständig war. "Nicht mehr ein Chefredakteur entscheidet, welche Nachrichten wichtig sind, sondern die Freunde."

Berlusconi-Puppe

Er zitierte eine Studie des Beratungsunternehmens Gigya, wonach eine Zunahme von 29 Prozent der Website-Aktivitäten erkennbar war und 13 Prozent mehr Userkommentare, wenn spielerische Elemente zur Nachrichtenvermittlung eingesetzt werden. Beispiele neben einem Nachrichtenquiz: Der britische "Guardian" zeigte eine Puppe, die wie Silvio Berlusconi aussah, und rief dazu auf, aus verschiedenen Modellen die passende Kleidung auszusuchen.

Das finnische Medium omaolivia.fi bittet Userinnen und User, bei der Auswahl der Fotos von Modellen zu helfen oder zusammen mit Journalisten Rechercheoptionen auszuwählen. In Italien soll demnächst ein Portal namens youreporter.it starten, bei dem User zum Mitmachen eingeladen werden.  Es sind nicht nur die spielerischen Ansätze sondern auch ein Bonussystem, das Anreize bei den Usern weckt und eine möglichst starke Bindung erreicht, mein Santoro.

Bewegende Bilder

Ein anderer Trend, der sich heuer so wie Datenjournalismus fortsetzt, ist der Einsatz von Video. Das online stark in verschiedenen Ländern expandierende Magazin Vice Media ist für Italien eine Partnerschaft mit Sky News eingegangen und setzt stark auf den Ausbau von Bewegtbildern. Auch Printmedien könnten sich dem online nicht verschließen, erklärte Bruno Manfellotto, Chefredakteur des Magazins l'Espresso. Es reiche nicht mehr, Printgeschichten online zu stellen und mit Dokumenten und Zusatzinformationen anzureichern. Vor allem Videobeiträge, aber auch Audiomitschnitte müssten angeboten werden.

Manfellotto nützte seinen Auftritt bei diesem Branchentreff, der zu den größten in Europa gehört, eine Vergebührung eines Teils des Onlineangebots anzukündigen. Ab Mitte Mai werde man auf ein "Zwei-Spur-Modell" setzen – einen weiterhin kostenfreien allgemeinen Teil und eine "Premiumsektion" mit Exklusivgeschichten, Video- und Audiobeiträgen. "Dafür muss man zahlen. Denn wir bieten dafür auch mehr."

Originell auch im Newsroom-Tempo

Das größte Interesse herrschte am ersten Tag jedoch am Workshop "Journalistische Kreativität: Wie man originelle Geschichten und unterschiedliche Blickwinkel zu Newsroom-Geschwindigkeit findet". Der niederländische Journalismustrainer Karel van den Berg rief dazu auf, sich bei jeder Geschichte fünf Minuten Zeit zu nehmen, um andere Zugänge zu Nachrichten zu bekommen, um etwas anders zu erzählen. "In dem Fall ist Quantität Qualität." (Alexandra Föderl-Schmid aus Perugia, derStandard.at, 30.4.2014)