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Ein recht unscheinbarer, aber sehr listiger Vogel: der Trauerdrongo

Foto: REUTERS/Tom Flower

Kapstadt/Wien - Der Naturforscher Henry Walter Bates staunte nicht schlecht, als er Mitte des 19. Jahrhunderts bei Streifzügen durch den Regenwald ein ihm unbekanntes Naturphänomen entdeckte: Ein völlig harmloser Schmetterling ähnelte einer giftigen Art, mit der er nicht einmal verwandt war, bis ins Detail, und täuschte so seine Fressfeinde. Bates sprach erstmals von "Mimikry". Seither sind im Tier- und Pflanzenreich zahlreiche Täuschungsmanöver entdeckt worden, die als Strategie zum Überleben oder zur Futtersuche erfolgreich sind.

Einen besonders trickreichen Vogel beobachtete eine Gruppe von britischen, australischen und südafrikanischen Wissenschaftern in der südlichen Kalahari-Wüste: Vom Trauerdrongo (Dicrurus adsimilis) weiß man, dass er sich den durch Büsche streifenden Giraffen, Nashörnern oder Elefanten anschließt, weil die durch die großen Tiere aufgescheuchten Insekten auf seinem Speiseplan stehen. Dass er die Warnrufe von Erdmännchen und anderen Spezies nachahmt, um sie von ihrem Futter wegzulocken und das dann stehlen zu können, zeigt, dass der Vogel auch komplexere Tricks anwendet.

Variierte Warnrufe

Dass er aber ein wirklich hochtalentierter Täuscher ist, schreiben die Wissenschafter nun in der aktuellen Ausgabe des Fachmagzins "Science".

Bei der bekannten Form von Signal-Mimikry bleibt es nämlich nicht. Würden die gleichen Signale wiederholt werden, dann stumpfen die Opfer seiner List ab und bleiben in der Nähe ihres Futters. Die Wissenschafter unter der Leitung des Biologen Tom Flower verglichen dieses tierische Verhalten mit einem zutiefst menschlichen in Äsops legendärer Fabel "Der Junge, der Wolf schrie": Einem Hirtenjunge, der aus Langeweile "Wolf!" ruft, wird, als die Schafe wirklich von einem Wolf bedroht werden, nicht mehr geglaubt. Der Trauerdrongo aber variiert die Nachahmungsversuche in der Frequenz derart geschickt, dass keine Gewöhnung unter den bereits einmal getäuschten Tieren auftritt.

Die Wissenschafter beobachteten insgesamt 688 Futterdiebstahl-Versuche von 64 Drongos und nahmen die Warnzeichen der Vögel auf. Sie erkannten, dass die Tiere ein Repertoire von bis zu 32 Signalarten haben und die auch in Kombinationen anwenden können. (pi, DER STANDARD, 01.05.2014)