Edmund de Waal und seine Installation "Lichtzwang". 

Foto: khm

Wien - "Für mich sind das viele, viele Farben", sagt Edmund de Waal über seine Installation Lichtzwang. Schmunzelnd. Denn sie besteht aus mehr oder weniger weißen Porzellangefäßchen, die auf zwei weißen Regalen arrangiert sind. An einer weißen Wand.

Es ist ein stilles, entschleunigendes Kunstwerk, das der 1964 geborene de Waal für den Theseustempel im Wiener Volksgarten geschaffen hat. Eines, das sich den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie widersetzt. Wenn es nach dem Künstler geht, tut der Betrachter Lichtzwang nicht mit einem einzigen Blick ab, sondern lässt sich ein, bis sich die Farbenvielfalt erschließt. Im Idealfall bleibt man länger, um das Spiel des Tageslichts auf de Waals Objekten zu beobachten, die an manchen Stellen silbern schimmern.

Einen Ort der Stille im Herzen von Wien geschaffen zu haben, ist dem in London lebenden Keramiker und Buchautor dabei eine besondere Freude: Als Nachfahre der jüdischen Familie Ephrussi recherchierte er hier für sein Erfolgsbuch Der Hase mit den Bernsteinaugen. Atmosphärisch facettenreich erzählt de Waal darin seine Familiengeschichte anhand von 264 "Netsuke", kleinen japanischen Kunsthandwerks-Figuren, die sich im Besitz der Familie befanden. Das Buch erzählt deren Reise durch die Abgründe des 20. Jahrhunderts. Es waren die Netsuke, die ursprünglich das Interesse de Waals weckten.

Die große Leidenschaft für kleine Kunsthandwerksobjekte bestimmt auch die aktuelle Installation. Eine Geschichte möchte de Waal diesmal allerdings nicht erzählen. Lichtzwang ist eine minimalistische Arbeit, die bloße Struktur sein will. "Es ist Musik", sagt er. Es geht ihm um Rhythmus, um Pausen. De Waal vergleicht die zeilenweisen Anordnungen von Porzellanbecherchen aber auch mit einem abstrahierten Gedicht.

Der Titel der Arbeit stammt indes aus der Lyrik. Lichtzwang heißt Paul Celans letzter Gedichtband aus dem Jahr 1970. De Waal fasziniert die "Gewaltsamkeit", mit der der jüdische Dichter neue Wortverbindungen aus Gegensätzlichem schuf. Sie steht in grobem Gegensatz zur sanften Eleganz von de Waals Installation.

Eine weitere Referenz de Waals ist schließlich der US-amerikanische Komponist John Cage (1912-1992). Dessen Schlüsselwerk 4'33'' besteht darin, dass ein Pianist zwar den Klavierdeckel aufklappt, aber nicht spielt. Dadurch werden Hintergrundgeräusche, die man gemeinhin überhört zur Komposition. De Waals Kunstgriff entspricht jenem von Cage, wenn er den Besucher dazu bringen möchte, auf die Zwischentöne der Farbe Weiß zu hören.

Derzeit arbeitet de Waal an einem Buch über John Cage. 2016 wird er im Kunsthistorischen Museum Wien eine Sammlungsausstellung kuratieren. (Roman Gerold, DER STANDARD, 3./4.5.2014)