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Priyanka Gandhi mit Bruder Rahul. Dieser galt bisher als Kronprinz der Kongresspartei, agiert im Wahlkampf aber glücklos. Priyanka dagegen konnte sich für höhere Weihen empfehlen.

Foto: REUTERS/Pawan Kumar

Indiens Medien überschlagen sich im Wahlkampffinale fast vor Begeisterung: "Ihre Aura lässt die Luft knistern, und niemand bleibt unberührt", schwärmt Mail Today. Indien hat einen neuen Politstar. Lange überließ Priyanka Gandhi ihrem Bruder Rahul das Rampenlicht. Doch nun stiehlt sie dem Spitzenkandidaten der regierenden Kongresspartei unversehens die Show. "Eine neue Indira Gandhi", skandieren Menschen.

Die 42-Jährige ist der letzte große Trumpf der Gandhi-Partei. Am 12. Mai gehen die fünfwöchigen Wahlen zu Ende. Bisher sieht es nicht gut aus für die Familie. Die Dynastie, die mit Jawaharlal Nehru, Indira und Rajiv Gandhi drei Premiers stellte, kämpft um ihr politisches Überleben. Der Kongresspartei droht eine schwere, vielleicht historische Niederlage.

Nun soll Priyanka retten, was noch zu retten ist. Sie sieht ihrer Großmutter Indira nicht nur verblüffend ähnlich, sondern hat auch deren Kampfgeist geerbt. Viele trauen ihr zu, was Rahul nicht schafft: den Mythos wiederzubeleben und den Hindu-Nationalisten Narendra Modi von der BJP zu entzaubern. Kaum schaltete sich Priyanka in den Wahlkampf ein, kaperte sie die Schlagzeilen. Das Duell heiße nicht mehr "Rahul vs. Modi", sondern "Priyanka vs. Modi", meinen Medien.

Sie erweist sich als härteres Kaliber als Rahul, Schlammschlachten scheut sie nicht. Die BJP nannte sie "panische Ratten", und sie machte sich über Modis Proportionen lustig: "Wir brauchen keinen Brustkorb von 142 Zentimeter, um das Land zu regieren. Wir brauchen bloß ein großes Herz."

Dubiose Immobilien-Deals

Schon lange halten viele Priyanka für die Talentiertere der beiden Geschwister. Aber Mutter Sonia, Witwe des ermordeten Rajiv, entschied, den Sohn zum Kronprinzen aufzubauen, obgleich der 43-Jährige sich schwertut, die Massen mitzureißen. Ganz anders Priyanka. Mühelos zieht sie eine Menge in ihren Bann, clever münzt sie Missgeschicke in PR-Erfolge um. Als jüngst eine ihrer Sandalen riss, spazierte sie 500 Meter ohne Schuhe weiter. Ihre Entourage und die Journalisten fielen beinahe in Ohnmacht.

Doch bisher weigert sich die Mutter zweier Kinder, in die Politik zu gehen - nur im Wahlkampf springt sie ein. Sie hat zudem eine Achillesferse: Die heißt Robert Vadra, ist seit 1997 ihr Ehemann und Vater ihrer beiden Kinder.

Seit die Kongresspartei vor zehn Jahren die Regierung übernahm, habe der 44-jährige Geschäftsmann ein millionenschweres Immobilien-Imperium aufgebaut, berichtete das Wall Street Journal. Von dubiosen Grundstücksdeals ist die Rede und von Krediten zu Spottzinsen. Das nutzt die BJP, um Priyanka zu attackieren.

Dass sie die Dynastie vor einem Fiasko retten kann, bezweifeln viele. Zu stark sei der Wunsch nach einem Machtwechsel. Der Name Gandhi und Almosenprogramme für die Armen reichten nicht mehr aus, um Wahlen zu gewinnen. Dagegen verkaufe Modi den Traum von einem neuen Indien und einem besseren Leben.

"Priyanka hat die BJP ein wenig erschüttert, und die Kampagne der Kongresspartei wirkt nicht mehr ganz so schwach", meint der Analyst Subhash Agrawal. Dies könnte der Beginn ihrer Karriere sein. Eine Niederlage wird man ihrem Bruder anlasten, sie dürfte sich dagegen für höhere Weihen empfehlen. Rufe, dass sie statt Rahul den Parteivorsitz übernehmen solle, werden lauter. (Christine Möllhoff aus Neu-Delhi, DER STANDARD, 5.5.2014)