STANDARD: Die Grünen haben in Salzburg nach dem Spekulationsskandal vor exakt einem Jahr, am 5. Mai 2013, einen fulminanten Wahlsieg eingefahren. Auf Bundesebene brodelt mit der Hypo Alpe Adria ebenfalls eine Finanzcausa. Trotzdem kommen im Bund die Grünen nicht so recht vom Fleck. Wie erklären Sie sich das?
Rössler: Wir hatten und haben in Salzburg das große Glück, dass Minderheitenrechte im Landtag mit wirklichen politischen Instrumenten und mit Kraft ausgestattet sind. Wir haben zweimal das Instrument Untersuchungsausschuss einsetzen können. Da ist dann eine andere Kraft dahinter.
STANDARD: Kann es nicht auch daran liegen, dass die Grünen von vielen als Teil des Establishments wahrgenommen werden? Jüngstes Beispiel: Wenn in der Stadt Salzburg die Parteienförderung erhöht wird, treten jetzt die Neos dagegen auf, die Grünen stimmen für die Erhöhung.
Rössler: Die Entscheidung in der Stadt ist für mich nachvollziehbar. Die Stadt ist in einer weit besseren finanziellen Situation als das Land. Dazu kommt die lange Dauer, in der es in der Stadt keine Erhöhung gegeben hat. Ich sehe das so: Die Grünen sind nicht im Establishment angelangt. Es sind vielmehr unterschiedliche Stadien und Ebenen der politischen Erfahrung, was das Gestalten betrifft. Rudi Anschober in Oberösterreich ist jetzt seit mehr als zehn Jahren in einer Regierungsfunktion, in der Stadt Salzburg ist Johann Padutsch seit mehr als 20 Jahren in der Regierungsverantwortung. Das ist auch ein Ankommen in der ständigen Regierungsverantwortung. Auf Landesebene in Salzburg haben wir noch den Bonus des Neuen.
STANDARD: Die Neos rekrutieren ihre Wähler zu einem großen Teil aus der ÖVP, fischen aber auch bei den Grünen. Wie sollen denn die Grünen damit umgehen?
Rössler: Die Konkurrenz ist auch eine Chance der Selbstreflexion, wo sollen wir unser Profil nachschärfen, wo sollen wir Themen stärker vertreten. In Salzburg zum Beispiel das Thema direkte Demokratie. Wir sind die Partei, die sich über die Jahre immer für Initiativen und direkte Beteiligung eingesetzt hat.
STANDARD: Die Betonung der eigenen Positionen war auch auf der letzten Landeskonferenz der Salzburger Grünen ein Thema. Die Kritik lautete, dass viele negative Meldungen aus der Landesregierung nur die Grünen treffen - bei der Asylbetreuung hapert es, die Kürzung der Kinderbetreuungsgelder, mit den Kulturinitiativen ist man über Kreuz. Wie ist das: Die ÖVP regiert und die Grünen kassieren die Negativmeldungen?
Rössler: Diese Ansicht teile ich nicht. Die ÖVP hat derzeit mit Finanzreferent Christian Stöckl den schwierigen Part zu erklären, dass an allen Ecken und Enden das Geld fehlt, dass wir alle Not haben, ein Budget auf die Beine zu bringen. Für uns ist das Arbeitsprogramm der Regierung ein gemeinsames Programm. Auch innerhalb der Regierung ist das Thema Kinderbetreuung ein gemeinsames Thema. Es sind auch die ÖVP-Bürgermeister, die mit den Nachfragen und mit der Kritik in Sachen Kinderbetreuung konfrontiert sind.
STANDARD: Landeshauptmann Wilfried Haslauer hat im Standard-Interview gesagt, die ÖVP tue sich leichter als die Grünen, sie sitze ja schon seit 1945 in der Regierung und kenne also das Geschäft. Wie geht es den Grünen? Werden Sie auch, wie die SPÖ 2004, von den Beamten streckenweise im Regen stehengelassen?
Rössler: Für meine Ressorts kann ich das ganz anders beschreiben. Es gab im Umwelt-, im Naturschutz, in der Raumordnung eine unverhohlene Zustimmung, weil jemand das Ressort übernimmt, der Erfahrung, Leidenschaft und Kampfbereitschaft für diese Themen mitbringt. Das erleichtert die manchmal nicht einfachen Entscheidungen und die Zusammenarbeit mit anderen Ressorts. Es gab vorher wichtige Ressortbereiche, die nicht miteinander arbeiten durften. Das ist gefallen.
STANDARD: Wer durfte bisher mit wem nicht zusammenarbeiten?
Rössler: Umwelt und Energie waren unter unterschiedlichen Ressortzuständigkeiten - SPÖ und ÖVP. Es war üblich, sämtliche Verstimmungen oder Uneinigkeiten in die Tagesarbeit zu tragen. Das sind aber die beiden entscheidenden Ressorts für Nachhaltigkeit, Energiewende und Klimaschutz.
STANDARD: Von außen betrachtet bekommt man von diesen Entwicklungen wenig mit. Eine der zentralen Umweltthemen in Salzburg ist die geplante 380-KV-Leitung. Bis zu Ihrer Angelobung sind Sie massiv gegen die Leitung aufgetreten. Warum ist es so still geworden?
Rössler: Jetzt läuft ein UVP-Verfahren. Es gab mehrere Schritte, wo ich im Sinne der Beteiligten und der Initiativen Einfluss genommen habe. Das betrifft die Verlängerung von Auflagefristen oder Auskünfte zum Verfahren. Das ist die fachlich und rechtlich korrekte Rolle im Verfahren. Entscheidend ist aber, dass die Regierung das Gutachten über die Notwendigkeit der Leitung in Auftrag gegeben hat. Das wird ein weiterer Baustein, um gegenüber dem Projektwerber zu begründen, warum das Projekt ohne Erdverkabelungsabschnitte nicht verträglich ist.
STANDARD: In Vorbereitung des Sparbudgets 2015 steht im Raum, einen Teil der Schulden des Landes durch den Verkauf der Wohnbaudarlehen abzutragen. Wie weit ist man denn dabei?
Rössler: Dem sind zwei Fragen vorzulagern. Einerseits die absolut prekäre Wohnsituation in Salzburg: Grundstückspreise, Grundverfügbarkeit, Leerstände, Mieten, Zweitwohnsitze, das alles macht Wohnen zu einem immer drängenderen Problem. Das Zweite ist: Der Wohnbaufonds ist eine ziemliche Katastrophe und so in keiner Weise fortsetzbar. Wir haben im Hintergrund 20.000 Mieter in gemeinnützigen Wohnungen, die mit einem Mieterhöhungssystem konfrontiert sind, sodass wir ständig wählen müssen, große Summen in die Entlastung der Mieter oder für die Gemeinnützigen zu stecken. Das ist nicht tragfähig. Wir müssen den Fonds und die Förderung anders definieren. In dem Zusammenhang tauchen auch die Darlehen auf. Dass wir damit auch den Schuldenstand des Landes reduzieren können, ist einer der Nebeneffekte, der möglich ist. Gleichzeitig wissen wir aber, dass Millionenbeträge aus Erlösen nicht so einfach zur vorzeitigen Tilgung von Schulden herangezogen werden können. Was jetzt noch fehlt, sind die entscheidenden Durchrechnungsbeispiele, die bis Ende Mai stehen sollen.
STANDARD: FPÖ und SPÖ haben eine Volksbefragung eingeleitet. Das kann der Regierung doch einen Strich durch die Rechnung machen, die Stimmung im Land ist eindeutig gegen jede Veräußerung.
Rössler: Wir haben uns deklariert, es darf keine Schlechterstellung betroffener Darlehensnehmer geben, und es darf das Wohnbauvolumen nicht reduziert werden. Das ist die Basis aller Rechenmodelle. Ich habe kein Problem mit einer Volksbefragung - im Gegenteil, es ist Gelegenheit zu informieren. Aber informieren bedeutet, dass man die entsprechenden Fakten auf dem Tisch hat. SPÖ und FPÖ wissen, dass derzeit noch an den Rechenmodellen gearbeitet wird. Es kann eigentlich nicht im Interesse der Opposition sein, der Bevölkerung eine Befragung vor Vorliegen der Fakten aufzuzwingen.
STANDARD: Trotzdem, die Befragung wird kommen, ihr Ergebnis ist aber rechtlich nicht bindend. Ist das Befragungsergebnis für die Grünen politisch bindend?
Rössler: Für mich ist das Ergebnis politisch bindend. (DER STANDARD, 5.5.2014)