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Karte der geplanten Strecke zum Beginn der Phase III des Brennerbasistunnels (BBT) im Jahr 2011.

Foto: AP/Lukas Barth

Wien – Spät, aber doch, beginnen sich die Nebel über den unter Verschluss gehaltenen Kosten-Nutzen-Analysen, Umwelt- und Gesundheitsstudien betreffend die Wirkung des Brennerbasistunnels (BBT) zu lichten. Mehr als sieben Jahre nach dem österreichisch-italienischen Beschluss zum Bau der Tunnelröhren zwischen Innsbruck und Franzensfeste haben Abgeordnete der Partei von Beppe Grillo (M5S) die Offenlegung jener Studie erwirkt, die von der BBT-Errichtergesellschaft bei der Uni Innsbruck (heute Medizin-Uni Innsbruck) beauftragt wurde.

Die Conclusio, zu der die Forscher kommen, relativiert laut der italienischen Zeitung Il Fatto Quotidiano die Entscheidung für die Baubewilligung durch Behörden in Österreich und Italien sowie die erhofften Segnungen des umstrittenen Milliardenprojektes:

Luftverschmutzung Das Argument, durch den Tunnelbau würde die durch Schwerverkehr bedingte Schadstoffbelastung und Luftverschmutzung sinken, sticht demnach nicht. Vielmehr würden Stickoxid- und Kohlendioxid-Belastung wohl nicht merklich zunehmen, wenn der Tunnel einmal in Betrieb ist. Verringert würde sie durch die Röhren allerdings auch kaum, oder nur unmerklich, weil nur ein Teil des neuen bzw. zusätzlichen Schwerverkehrs in den Tunnel verlagert würde.

Lärmbelastung Auch Hoffnungen, der Straßengüterverkehr werde verringert, wenn die 50 Kilometer langen Röhren irgendwann nach 2025 befahrbar werden, und mit ihnen die massive Lärmbelastung entlang der Brennerautobahn, dürfte eine solche bleiben. Der Grund: Bis zur endgültigen Fertigstellung aller Arbeiten und Zubringerstrecken im Jahr 2040 würden auf der historischen Brenner-Scheitelstrecke weiterhin täglich 84 (von derzeit 130 Zügen täglich) fahren. Daher werde der Lärmpegel weiterhin jenseits von 65 Dezibel liegen und damit gesundheitsschädlich sein. Die Lärmbelastung bis dahin werde jedenfalls größer sein, als von Tunnelbefürwortern behauptet.

Das Lärmproblem und mit ihm Gesundheitsprobleme (Schlafstörungen, Bluthochdruck, Depressionen) würden sich – ohne Gegenmaßnahmen – sogar verschärfen. Insbesondere auf der italienischen Seite des Tunnels, wo, anders als im Unterinntal, weniger Lärmschutzmaßnahmen errichtet wurden und die lärmintensiven Güterzüge bevorzugt nachts verkehren sollen.

Laut dem Standard vorliegenden Auszügen empfahlen die Innsbrucker dringend die Errichtung von Lärmschutzwänden, den Einsatz schalldämpfender Materialien, Nachtfahrverbote und Geschwindigkeitsbeschränkungen nach Vorbild der Schweiz. Dadurch ließe sich der Lärm massiv einschränken, eine Lärmreduktion um bis zu sieben Dezibel erreichen. Der Tunnelbau allein hingegen werde kaum Umweltentlastung bringen.

Von der ebenfalls empfohlenen Erhöhung der Lkw-Maut auf der Brennerstrecke ist laut Wifo-Berechnungen aus 2008 kaum Linderung zu erwarten. Die Strecke durch Tirol sei zu kurz, um mit höherer Maut Frächter von der Durchfahrt abzuhalten. Die von Tunnelbauern versprochene Verlagerung der Gütertransporte auf die Schiene auf A13 (in Tirol) und A22 (in Südtirol) samt Drosselung von 41 auf 32 Millionen Tonnen wurde unterdessen von der Wirklichkeit überholt: Die 2001 prognostizierte Steigerung der Lkw-Transporte kam laut offizieller Aufstellung des Verkehrsministeriums nicht. Der Straßengüterverkehr auf dem Brenner von 1999 bis 2009 nahm nur um 3,8 Prozent auf 26,17 Mio. Tonnen zu, von 2004 bis 2009 verringerte er sich gar um 16 Prozent, während die Schienentransporte um 4,9 Prozent auf 39,3 Mio. Tonnen zurückgingen. (Thesy Kness-Bastaroli, Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 5.5.2014)