Intensität statt Inhalt: Jeremy Wades "Dark Material". 

 

Foto: David Visnjic

Krems - Zum Lachen war eine der abschließenden Performances im diesjährigen Kremser Donaufestival, One single action: laughing der amerikanisch-deutschen Choreografin Meg Stuart. Die Herausforderung für das Publikum: auf Kommando eine Stunde lang aus Leibeskräften zu kudern. Angeblich ist das gesund.

Die ins Künstlerische gewendete Lachtherapie war als "soziale Plastik" gemeint. Das klingt nach Joseph Beuys, und wirklich wurde nachgewiesen: Jeder Mensch ist ein Lacher. Für viele der Teilnehmenden - von "Publikum" sollte da nicht mehr gesprochen werden - ein mitreißendes, ja beuschelzerreißendes Erlebnis.

Dabei stellte sich bei manchen mit der Zeit der eine oder andere ekstatisch aussehende Zustand ein. Weil noch dazu das Lachen nicht immer nur herzlich ist, geriet Stuarts "soziale Plastik" zu einem bizarr zerklüfteten Gebilde. Sie war in ihrer Atmosphäre unheimlich wie alle Arbeiten der international hoch angesehenen 49-Jährigen, ziemlich decouvrierend, weil man an keiner Mitmach-Performance teilnehmen kann, ohne sich (sogar in der Distanzierung) Blößen zu geben, und eben auch bis an den Rand der Hysterie witzig.

Im Lauf der Performance zerfiel die kleine Gesellschaft von etwa 60 Leuten: in begeisterte Aficionados, willige Mitlacher, vorzeitig Erschöpfte und Dann-doch-Verweigerer. Die in der Festival-Kuratierung beschworene "Togetherness" bleibt bei allen diesen partizipatorischen Projekten, wie sie derzeit Konjunktur haben, temporär, oberflächlich und trügerisch. Hinter dem kurzzeitig und selektiv Verbindenden wächst rapide auch das Trennende. Weil die Teilnehmenden eben nicht schauspielen, sondern nur mitspielen - und das mit aller persönlicher Ambivalenz.

Am Zusammensein arbeiteten ein Mann und eine Frau auch in Jeremy Wades Stück "Dark Material" - und das zur Musik von Xiu Xiu (hier Jamie Stewart mit Shayna Dunkelman) und in einer skulpturalen Live-Grafik der bildenden Künstlerin Monika Grzymala. Im Clinch mit der Tänzerin Maria F. Sciaroni, die unter anderem von ihren Kooperationen mit Meg Stuart bekannt ist, baute Wade ein emotionales Gebilde aus körperlichen Umklammerungen und Verstrickungen.

Dabei kam zum Vorschein, woran sich aktuell nicht nur Jeremy Wade, sondern überhaupt ein wachsender Teil der zeitgenössischen Choreografen abarbeitet: ein "neo-expressionistischer", sich in Euphorien flüchtender, die eigene Befindlichkeit überbetonender und zu naiv-erotischer Esoterik neigender Tänzerkörper. Die Ergebnisse machen manchmal einen gewagten, immer aber einen sehr intensiven Eindruck. Wie eben auch Dark Material, ein effektvolles Stück mit bescheidenem Inhalt, das sehr von Xiu Xius musikalischer Wucht profitierte. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 5.5.2014)