Wien – "Für uns war es ein Wegwerfauto. Der Verkäufer hat dafür noch 700 Euro bekommen", erzählt der Zeuge Josef List dem Schöffensenat unter Vorsitz von Thomas Spreitzer. List besitzt ein Autohaus und hat einen Ford Focus in Kommission übernommen, für den der Begriff Rostschüssel ein Euphemismus ist.
Der Zustand des Wagens verbesserte sich aber auf wundersame Weise nach einem Gutachten durch den Angeklagten Novica R. deutlich. Das ist der Grund, warum der 56-Jährige hier und wegen Amtsmissbrauchs angeklagt ist. Denn wenn ein Mechaniker ein "Pickerl" ausstellt, handelt er als Beamter.
Eingetropfte Augen
Am 26. Juli 2013 schritt der Unbescholtene, der seit über 24 Jahren ohne Beanstandungen Kfz-Mechaniker ist, ans Werk. Mit einem kleinen Handicap. "Ich war in der Früh im Spital und habe die Augen eingetropft bekommen", erzählt er dem Senat. "Ich habe danach nicht so gut gesehen, im Krankenhaus haben sie gesagt, ich soll nicht Auto fahren, daher hat mich der Krankentransport zurück zur Werkstatt gebracht."
Dort warteten der Kunde und sein Ford. R. prüfte und entdeckte Mängel. Viele leichte. Die er im Prüfgutachten vermerkte, das dem Auto aber Fahrtauglichkeit bescheinigte. "Gut, ein Loch habe ich übersehen, aber sonst war es nichts Dramatisches."
Abweichender Kilometerstand
Der Kunde, ein gewisser Herr Jovanović, dessen Rolle in dem Fall nicht ganz klar ist, verkaufte den Wagen bereits am nächsten Tag an eine 34-Jährige. Dieser fiel lediglich auf, dass der Kilometerstand auf dem Tacho rund 50.000 Kilometer über jenem auf dem Prüfbericht war. Der Verkäufer erzählte ihr, der Tacho sei in der Werkstatt ausgetauscht worden.
Die Frau schlug zu, eine Woche bis zehn Tage später bemerkte sie klopfende Geräusche während der Fahrt. Im Zuge einer Überprüfung beim ÖAMTC wurde die Ursache gefunden. Es war "Gefahr im Verzug", stellte der dortige Mechaniker fest, das Radlager war völlig hinüber. Dazu kamen weitere schwere Mängel.
Kostenlose Reparatur
"Zwischen Kauf und Service bin ich ungefähr 1000 Kilometer gefahren", erzählt die Zeugin. Der ÖAMTC-Mann will als Zeuge nicht gänzlich ausschließen, dass sich die Schäden in dieser Zeit verschlimmert haben. Zurück in R.s Werkstatt, wurden diese von dessen Sohn jedenfalls anstands- und kostenlos repariert. Nach einer weiteren Reparatur fährt sie das Auto übrigens immer noch.
Der Angeklagte steht auch am Ende hinter seinem Gutachten: Vielleicht habe er kleinere Dinge übersehen oder anders als der ÖAMTC-Experte eingeschätzt. Aber insgesamt habe er korrekt gearbeitet.
Grob fahrlässig
Nach kurzer Beratung wird R. vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs, für den ihm zwischen sechs Monaten und fünf Jahre Haft gedroht haben, im Zweifel nicht rechtskräftig freigesprochen. "Sie haben selbst gesagt, dass Sie schlecht gesehen haben. Das ist grob fahrlässig, aber es konnte nicht nachgewiesen werden, dass Sie wissentlich ein falsches Gutachten ausgestellt haben", begründet Spreitzer die Entscheidung. "Sie haben schlampig gearbeitet", vermutet er auch als Grund für die Differenz beim Kilometerstand. (Michael Möseneder, derStandard.at, 05.05.2014)