Scheidender SJ-Vorstand Moitzi: oft zu kritisch für die Parteioberen.

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Wien - Die knallrote Fahne sticht einem sofort ins Auge, wenn man das Büro der Sozialistischen Jugend (SJ) betritt. An der Türschwelle begrüßt uns ein entspannt wirkender Wolfgang Moitzi, Bundesvorstand der SJ.

Da dieser am Wochenende aus seinem Amt geschieden ist, erhoffen wir uns ein offenes und selbstkritisches Gespräch. Wir sollten nicht enttäuscht werden.

Ob er zufrieden mit der Europäischen Union ist, wollen wir gleich zu Beginn von Moitzi wissen. Keinesfalls: Auf einer Skala von bis zu zehn Punkten vergibt der Steirer nur zwei.

Ändern möchte er viel, allen voran die Wirtschaftspolitik. Ein Allheilmittel gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit gebe es zwar nicht, aber "man muss, wie es Obama vorgemacht hat, die Gelddruckmaschinen einschalten". Das Wichtigste sei, dass man endlich aufhört zu glauben, sich aus der Krise sparen zu können.

"Sind laut und kritisch"

Warum aber sollten Jugendliche bei der EU-Wahl ihr Kreuz bei der SPÖ setzen? "Puh ...", setzt Moitzi an, zögert lange und meint schließlich: "Weil die SPÖ zumindest in kleinen Teilen versucht, die europäische Sparpolitik abzumildern."

Auch die Asylpolitik möchte die SJ von Grund auf neu denken. "Wir können es uns als reichster Kontinent der Welt nicht leisten, dass wirtschaftlich schlecht gestellte Menschen an unseren Grenzen ersaufen!", kritisiert der 29-Jährige scharf. "Man muss auf die Reset-Taste der Europapolitik drücken."

Mit dem prominenten Quereinsteiger und Spitzenkandidaten der SPÖ, Eugen Freund, scheint Moitzi nicht zufrieden: "Man hätte ihn nicht aus dem Hut zaubern müssen."

Dass die politische Landschaft in Europa nach rechts rückt, betrachtet Moitzi auch als historisches Problem: "Aus Finanzkrisen profitieren rechtsextreme, zum Teil faschistoide Parteien mehr als die Linken - siehe Ungarn und Frankreich. Das ist durchaus auch auf die Inkompetenz der Sozialdemokratie zurückzuführen."

Wer heute jung und links ist, wähle meist Grün. Daran sei der Status der SPÖ als Kanzlerpartei schuld. "Die SPÖ repräsentiert das Establishment, gegen das die SJ eigentlich kämpft. Wir sind bewusst laut und kritisch und deswegen bei den Parteioberen oft keine Sympathieträger", sagt Moitzi.

Möglicherweise stellt die SJ deshalb nur eine Kandidatin zur EU-Wahl und das auf sehr schlechter Position.

Seit Samstag steht übrigens erstmals nach 120 Jahren eine Frau an der Spitze der SJ: die 21-jährige Burgenländerin Julia Herr.

Warum Moitzi sich dann von der Bundespolitik verabschiedet? Der Steirer lacht: "Weil ich kein Berufsjugendlicher werden will." (Nadine Dimmel (15) Jakob Sturn (17), DER STANDARD, 5.5.2014)