Veit Dengler, CEO der NZZ-Mediengruppe.

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Wien - Wirtschaftlicher Erfolg sei der Garant für die Unabhängigkeit von Verlagen, sagt Veit Dengler. Um diesen ins digitale Zeitalter zu transferieren, müssten sich Medien einem Transformationsprozess unterwerfen, gefragt seien "Mut und Kreativität". Der CEO der NZZ-Mediengruppe rund um das Flaggschiff "Neue Zürcher Zeitung" schmiedet derzeit an den Expansionsplänen für Österreich, um gegen Ende des Jahres ein voraussichtlich digitales Medienprodukt zu starten.

Kritik an Regierungswerbung

In einem Markt, in dem es praktisch keine Unabhängigkeit gibt, folgt man den Ausführungen des NZZ-CEOs beim European Newspaper Congress, denn: "Wie unabhängig kann man sein, wenn man von öffentlichen Geldern abhängig ist?" fragt Dengler, der Verdacht des "Gekauftwerdens" stehe im Raum. Dem Österreicher sind dabei weniger die jährlich rund elf Millionen Euro Presseförderung ein Dorn im Auge, sondern die Inserate von öffentlichen Stellen, die 2013 ein Volumen von rund 200 Millionen Euro ausmachten. "Subventionen", sagt er, die erstens die Berichterstattung beeinflussten und zweitens Innovationen im Mediensektor behinderten.

"Wettbewerb soll ein Ansporn sein"

In Österreich vermisst er Transparenz und "Medien, die den kritischen Diskurs vorantreiben". Eines davon soll das neue Produkt der NZZ werden, das unter der konzeptionellen Federführung von Michael Fleischhacker, dem ehemaligen "Presse"-Chefredakteur, entsteht: "Wir sind uns sicher, dass es einen Markt dafür gibt." Er glaubt an Zahlungsbereitschaft: "Unsere Produkte haben ihren Preis, wir werden sie nicht verschenken." Welches Bezahlmodell implementiert wird, stehe noch nicht fest. Er hofft, dass mit dem Markeintritt der NZZ andere auf den Zug aufspringen und Geld für ihre digitalen Inhalte verlangen: "Wettbewerb soll ein Ansporn sein."

Deutschland als Ziel

Dass Österreich nur als Rampe für Deutschland fungiert, darauf will er sich nicht festnageln lassen, nur so viel: Deutschland sei mit seinen 80 Millionen Einwohnern natürlich ein "Ziel". "Wir werden viele Samen säen, einige davon werden aufgehen", so Dengler über den Experimentierkurs: "Wir müssen uns daran gewöhnen, dass nicht alles funktioniert." Wichtig seien zahlende Kunden und nicht Reichweiten. Und die ließen sich auch digital generieren: Das E-Paper der NZZ kommt derzeit auf 18.000 Abonnenten. Tendenz steigend: "Das Wachstum kompensiert den Rückgang bei den Printabos."

"Preiselastizität" und viele Angebote

Medienhäuser müssten auf "Preiselastizität" setzen und ihren Lesern verschiedene Angebote machen. Ob das jetzt die Wochenendausgabe der NZZ sei, ein E-Paper oder ein Digital-Abo für nzz.ch spiele keine Rolle, wichtig seien "zahlende Kunden". Medien dürfen sich unterschiedlichen Distributionswegen nicht verschließen. Ein Anker mit einer Marke, um die sich verschiedene Erlösmodelle gruppieren. So breit wie andere Medienhäuser wie Axel Springer oder den norwegischen Medienkonzern Schibsted will er die NZZ-Gruppe aber nicht aufstellen: "Unser Wesenszweck ist die Publizistik und nicht Autos zu verkaufen."

Nicht Werbung als Redaktion verkaufen

Von Native Advertising, einem heiß diskutierten Branchenthema, hält Dengler nichts. Dahinter stecke nichts anderes als Leser auszutricksen", indem man ihnen Werbung als redaktionellen Inhalt verkaufe. Das könne nur für Boulevardmedien funktionieren, "wir als NZZ wollen das nicht". Wichtigstes Asset von Qualitätsmedien sei immer noch die Glaubwürdigkeit. Solche Methoden würden sie torpedieren.

Von Generalisten zu Experten

Protagonisten auf sozialen Medien, die sich als Aufdecker betätigen, sieht er nicht als Konkurrenz von etablierten Medienhäusern. Die Rolle von Medien "Einordnung, Analyse und Hinterfragen" zu bieten, erodiere nicht. Ganz im Gegenteil: Informationen, die über Twitter und Facebook kursieren, müssten erst verifiziert werden. Das sei die Aufgabe von Journalisten. Während der Zweck von Journalismus der gleiche bleibt, nämlich Aufklärung und Einordnung, ändere sich das Berufsbild: Journalisten müssten von Generalisten zu Experten mit spezifischem Fachwissen werden. Sie sollen decodieren und aus ihrem Elfenbeinturm rauskommen, denn Interaktivität werde immer wichtiger. Leser seien "Sparringpartner" von Autoren. (omark, derStandard.at, 5.5.2014)