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Premier Bohuslav Sobotka versucht sein Kabinett von den EU-skeptischen Vorgängerregierungen abzugrenzen.

Foto: REUTERS/David W Cerny

Podiumsdiskussionen und Kulturevents am laufenden Band, als Höhepunkt ein zweitägiges Open-Air-Festival auf der Prager Schützeninsel: Der Veranstaltungsreigen rund um den zehnten Jahrestag des tschechischen EU-Beitritts am 1. Mai dauert immer noch an. Gefeiert wird dabei selten, dafür wird umso häufiger debattiert – über die Rolle Europas in der Welt, die Rolle Tschechiens in Europa, die Vor- und Nachteile der Mitgliedschaft in der EU.

Wenige Wochen vor der Wahl zum Europäischen Parlament nutzten auch Politiker die Gelegenheit, sich in Stellung zu bringen. Der sozialdemokratische Premierminister Bohuslav Sobotka unterstrich die neue, proeuropäische Außenpolitik Prags, mit der sich sein Kabinett bewusst von den EU-skeptischen Vorgängerregierungen abgrenzen will: "Noch nie zuvor waren Stabilität und Frieden so fest verankert wie heute", rief Sobotka auf der Schützeninsel unter dem Applaus seiner Anhänger. Laut neuesten Umfragen hält sich die EU-Begeisterung der Tschechen jedoch in Grenzen: Die, die mit der Mitgliedschaft zufrieden sind, halten sich mit den Unzufriedenen in etwa die Waage. Unangefochten an erster Stelle: die Antwort "Weder-Noch".

Wahl als Belastungsprobe für Regierung

Für die Wahl Ende Mai dürfte all das kaum eine Rolle spielen. Lediglich die konservativen Bürgerdemokraten (ODS) und einige Kleinparteien stilisieren den Wahlkampf zum Kampf gegen die vermeintlichen Bürokraten im angeblich fernen Brüssel. Doch auch Fragen von echter europapolitischer Tragweite treten häufig in den Hintergrund. Die Wahl gilt nämlich auch als Belastungsprobe für die noch junge Regierungskoalition aus Sozialdemokraten (ČSSD), Christdemokraten (KDU-ČSL) und der Neo-Partei Ano des Unternehmers und Finanzministers Andrej Babiš.

Gerade 100 Tage war das Kabinett vorige Woche im Amt, und schon spekulieren tschechische Medien über ein mögliches Zerwürfnis. Grund: Die Partei von Babiš, die bei der Parlamentswahl im vergangenen Oktober hinter den Sozialdemokraten auf Platz zwei kam, liegt nun in allen Umfragen souverän vorn. Babiš, so mutmaßen einige, könnte im Falle des Erfolges auf den Geschmack kommen und den Koalitionsbruch riskieren, um auch zuhause Nummer eins zu werden. Nach der schweren Regierungskrise, die erst im Herbst zu Neuwahlen geführt hat, wäre ein solches Szenario ein harter Schlag für das Vertrauen der Tschechen in ihre politischen Institutionen.

Doch längst nicht jedes koalitionsinterne Scharmützel sprengt gleich eine ganze Regierung. Außerdem dürfte Babiš sehr genau wissen, dass er seine Beliebtheitswerte auch dem Anschein "unpolitischer Politik" verdankt: Der erfolgreiche Macher, der den Staat lenken will wie ein Unternehmen – bei vielen Menschen kommt das zunächst mal gut an. Seine Machtfülle als Agrarindustrieller, Medienmagnat und Finanzminister beschert Babiš aber bereits jetzt Debatten über seine Interessenkonflikte. Noch pflegt Babiš das Image als Polit-Lehrling, der es gut meint und alles besser machen will. Halsbrecherische Abenteuer würden diesem Image ein jähes Ende setzen. (Gerald Schubert, derStandard.at, 5.5.2014)