Wien - Es ist so etwas wie ein Heiligtum in Wien - und nicht nur deshalb, weil es der Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde im Jahre 1867 zum Teil uraufgeführt hat: Johannes Brahms' Deutsches Requiem bildet auch für manche eine Alternative zu Glaubenspathos, die an ihm mehr die allgemeine Verinnerlichung als die religiösen Botschaften schätzen.

Tatsächlich lässt sich aus dem Stück auch ohne letzte Gewissheiten durchaus Gelassenheit schöpfen, lässt es sich reflektieren wie auch durchatmen und - um ein vollkommen unzeitgemäßes Wort zu bemühen - demütig lauschen. Der riesenhaft besetzte Chor aus Laien und Liebhabern, der schon zu Brahms' Zeiten gesungen hatte, garantiert heute für Opulenz und eine Mischung aus Akribie und weichem, fast lieblichem Klang. Und seinem Leiter Johannes Prinz ist unter anderem zu verdanken, dass man fast jedes Wort versteht.

Die Wiener Symphoniker zeigten sich noch etwas konzentrierter und auch besser vorbereitet als üblich - was auch damit zu tun hatte, dass diesmal eine lebende Legende am Pult stand, die seit 60 Jahren dirigiert und vor 40 Jahren in Wien debütierte. Der schwedisch-amerikanische Maestro Herbert Blomstedt nahm das Werk ohne Bombast und ohne Schwulst, zeigte jedoch, wie sehr der Komponist Brahms den Passionen von Johann Sebastian Bach verpflichtet bleibt, aber auch Oratorien von Georg Friedrich Händel anklingen lässt.

Schnörkellose Klarheit

Und Herbert Blomstedt bewerkstelligte es bei dieser Umsetzung, Zurückhaltung und schnörkellose Klarheit mit wohldosierter Intensität zu verbinden. Bariton Peter Mattei sang daneben nicht ohne Grenzen von menschlicher Beschränkung, Sopranistin Christiane Karg verkörperte zuweilen ein wenig gar zu dramatisch blühendes Leben - ein reizvoller Gegensatz zum Inhalt des Texts. (Daniel Ender, DER STANDARD, 6.5.2014)