In wenigen Wochen jährt sich der Beginn des Ersten Weltkriegs zum 100. Mal. Aus diesem Anlass organisierten die Universitäten Wien und Salzburg eine öffentlich zugängliche Vortragsreihe zum Thema: Die dunkle Seite der Moderne: 1914 anders gesehen thematisiert in erster Linie die Kriegsbegeisterung sowie die radikale Abkehr von dieser Position unter den Intellektuellen Anfang des 20. Jahrhunderts. So gehörte selbst Stefan Zweig zuerst zu den Kriegsbefürwortern, ehe er sich zum leidenschaftlichen Pazifisten wandelte. Als der Militärapotheker Georg Trakl die Verwundeten an der Ostfront mit Medikamenten ruhigstellen sollte, hielt er das nur wenige Monate aus: Im November 1914 starb er in einem Krakauer Lazarett an einer Überdosis Kokain. Und Frontkämpfer Egon Erwin Kisch entwickelte erst im Laufe des Krieges Sympathien für die Arbeiter- und Soldatenräte.

Karl Kraus nannte Autoren wie Ernst Jünger, Peter Rosegger, Anton Wildgans, Ludwig Ganghofer, aber auch Egon Friedell "die Versfußtruppe einer kriegsbesoffenen deutschen Literatur". Einen anderen Teilaspekt behandelt heute die Historikerin (mit Spezialgebiet Frauen- und Geschlechterforschung) Gabriella Hauch: Friedens- und Abrüstungsbewegungen um 1914 aus der Genderperspektive. Sie untersucht die Entwicklung der Frauenemanzipation in Zeiten revolutionärer Umbrüche. Vereine und Aktivistinnen zur Durchsetzung bürgerlicher Rechte gab es schon vor dem Ersten Weltkrieg - damals mussten sie sich noch als Bildungsvereine tarnen. Die politisch-ideologischen Gräben spiegeln sich auch in der Emanzipationsbewegung: Das Spektrum reicht von konservativ-christlichen über bürgerlich-liberale zu revolutionär- oder reformistisch-marxistischen Positionen. Hauch konstatiert zwei grundlegende Denkansätze: den der Gleichheit und den der Differenz. Letzterer geht von zwei komplementären Geschlechtscharakteren aus, Ersterer von der prinzipiellen Gleichheit aller Individuen. (dog, DER STANDARD, 6.5.2014)