Bild nicht mehr verfügbar.

Religiöse Inhalte im Musikunterricht? An einer Schule in Niederösterreich gibt es einen Konflikt zwischen Eltern und Lehrern.

Foto: APA/dpa/Karl-Josef Hildenbrand

St. Pölten - Bereits im September, beim ersten Elternabend, haben die Klassenlehrerin und die Direktorin der Volksschule Atzenbrugg-Heiligeneich im Bezirk Tulln darauf hingewiesen, dass der Musikunterricht der Klasse 2b in diesem Schuljahr zum Teil auch dafür verwendet werden könnte, Lieder für die Erstkommunion zu proben. Walter S.*, der seine Tochter ohne Bekenntnis erzieht, sprach sich dagegen aus. Er wolle weder, dass seine Tochter "stigmatisiert" werde, indem sie nicht am Unterricht teilnehmen könne, noch, dass sie Religionsunterricht "gegen den Willen" der Eltern erhalte. Außerdem habe seine Tochter ein Recht auf den Musikunterricht.

Doch seine Beschwerde bewirkte nichts. In den vergangenen Monaten wurden zum Teil ganze Stunden des Musikunterrichts für das Erlernen der Kirchenlieder verwendet. Während die katholischen Kinder die Erstkommunionsmappen überreicht bekamen, wurden S.s konfessionsloser Tochter und einem muslimischen Mitschüler Arbeitsblätter gegeben. Sie sollten sich ruhig beschäftigen. Die anderen Kinder sangen Lieder mit eindeutig religiösen Texten (u. a. "Spür ich Gotte, Deine ganze Kraft").

Religiöse Werte im Unterricht

S. wandte sich zunächst an die Direktorin, beschwerte sich später auch beim Landesschulrat. Beide berufen sich jedoch auf Paragraf 2 des Schulorganisationsgesetzes. Dort heißt es: "Die österreichische Schule hat die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten (...) mitzuwirken." Hermann Helm, Präsident des Landesschulrates in Niederösterreich, sagt zum Standard: "Das Gesetz wird eingehalten, ich sehe keinen Grund für die Beschwerde der Eltern."

Die Direktorin der Volksschule Atzenbrugg-Heiligeneich zieht zur Verteidigung außerdem den Lehrplan der Volksschule heran, der Querverbindungen zu verschiedenen Bildungsinhalten fordert. Diese sieht sie durch die Verknüpfung von Musik- und Religionsunterricht gegeben.

Dem gegenüber steht jedoch die Meinung des Leiters der Rechtsabteilung des Landesschulrates in Niederösterreich. Nach Prüfung des Falles kam er zu dem Schluss, dass sehr wohl "Liedgut hinsichtlich Werteerziehung" geübt werden dürfe, nicht jedoch Lieder und Texte für die Erstkommunion.

Auch das Bildungsministerium gibt den Eltern recht. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es, die Erstkommunion dürfe zwar im Rahmen des Gesamtunterrichts an Volksschulen behandelt werden, religiöse Inhalte seien aber ausschließlich "dem Religionsunterricht vorbehalten".

Probe im Rechenunterricht

Geprobt wurde weiter. In den vergangenen zwei Wochen wurden 24 Prozent des Unterrichts dafür aufgewandt, sagt S. Nicht mehr nur im Musikunterricht wurden die Lieder für die Erstkommunion Mitte Mai geprobt, sondern auch im Rechenunterricht.

Eytan Reif von der Initiative "Religion ist Privatsache" sagt: "Der vorliegende Fall zeigt, mit welcher atemberaubenden Selbstverständlichkeit öffentliche Schulen für kirchliche Zwecke missbraucht werden." Er kritisiert, dass der Landesschulrat politisch motiviert handle. Helm habe seine Meinung geändert, nachdem Landeshauptmann Erwin Pröll interveniert habe.

Die Eltern haben Beschwerde beim niederösterreichischen Verwaltungsgericht eingebracht. (Rosa Winkler-Hermaden, DER STANDARD, 6.5.2014)