Die Nordiren haben sich vor gut 16 Jahren auf robuste Strukturen für ihre eigene Verwaltung geeinigt. Danach wurden Justiz und Polizei grundlegend reformiert. Doch die Versöhnung an der Basis blieb aus. Denn es gab keine Einigung über die Ursachen des Konflikts, geschweige denn über Schuld und Unschuld. Jene Täter, die 1998 im Gefängnis saßen, wurden freigelassen, aber Tausende von Gewalttaten blieben unaufgeklärt. Die Angehörigen der Opfer verlangen Aufschluss darüber, was mit ihren Nächsten tatsächlich geschehen ist. Nicht alle fordern Vergeltung, aber die Wahrheit wollen die meisten.
Nach so vielen Jahren ist die Justiz ein stumpfes Instrument für diese Genugtuung. Die Politiker hatten vor einigen Monaten vergeblich versucht, Formeln für den Abbau von Spannungen und Missgunst zu finden, die sich periodisch an Paraden und Flaggen entfachen. Doch möglicherweise war das ein verfehlter Ansatz. Es führt kein Weg daran vorbei, die störrisch im Zwist gefangene Basis von den Wohltaten der Versöhnung zu überzeugen.
Aber die Politik bleibt gefordert, denn die mögliche Verurteilung eines einzelnen prominenten Politikers, der sich überdies durch seinen Einsatz als Friedenspolitiker unbestreitbare Verdienste erworben hat, kann die Wunden nicht schließen. Gerry Adams wird die Gemüter wohl immer entzweien, aber ohne seine chamäleonartige Verwandlungskunst hätte es kaum Frieden gegeben. (DER STANDARD, 6.5.2014)