Österreichs Medienpolitik ist einen wesentlichen Schritt weiter. Mit einem kleinen, abseits der Medienredaktionen und ORF-Standorte nebensächlich wirkenden Schritt: der Wahl des Vorsitzenden im ORF-Stiftungsrat.

Nicht, dass die Medienpolitik plötzlich abgekommen wäre von ihrem elektronischen Zentralgestirn ORF, dem ihr so großes Interesse gilt - neben der "Krone" und seit ein paar Jahren auch der einen oder anderen Gratiszeitung. Nicht, dass sie ein bisschen Einfluss, oder was sie dafür hält, abgegeben hätte. Nicht einmal die Hoffnung darauf hat sie zurückgeschraubt. Im Gegenteil.

Direktheit des Vorgehens

Wo also wäre da ein wesentlicher Schritt? In der schon einige Zeit nicht so offen gezeigten Klarheit und Direktheit ihres Vorgehens. Blenden wir vier Jahre zurück: Casinos-Vorstand Dietmar Hoscher soll neuer Vorsitzender der roten Fraktion im Stiftungsrat werden. Der sogenannte "Freundeskreis" der SPÖ - Fraktionen kann es unter verpflichtend unabhängigen ORF-Stiftungsräten ja nicht geben - stimmt ab. Und wählt einen anderen Kandidaten, als die SPÖ-Führung sich wünscht. Dieser Fraktionschef ist in der neuen Funktionsperiode übrigens nicht mehr im Stiftungsrat. Das Kanzleramt besetzt jenes ORF-Mandat, über das der Mann ins oberste ORF-Gremium kam.

2014 wird den roten Freunden "verkündet", wer sie organisiert und für sie spricht. Und wer dem Stiftungsrat künftig vorsitzt. "Nicht diskutierbar", beschreibt das die damit unvorbereitet verabschiedete bisherige Vorsitzende - bis dahin ebenfalls im roten Freundeskreis.

Neue Spielart politischer Medientransparenz

Die Direktheit kann man immerhin als neue Spielart politischer Medientransparenz nehmen. Und die Kollateralwirkung der Parteitaktik interessiert zur Kenntnis nehmen: Von 15 dezimierte sich der rote Freundeskreis erst auf 14 (weil sechs Klubs statt fünf im Nationalrat vertreten sind), die "Vorgabe" der Partei ließ auch die bisherige Vorsitzende aus der SP-Fraktion austreten. Ergibt 13, so viele wie die ÖVP, die dank der nicht abgesprochenen Verkündigung noch bis zuletzt Gegengeschäfte aushandeln und offenbar auch durchsetzen konnte, damit sie die "Vorgabe" auch mitträgt.

Wenn sich nun noch die ÖVP ein bisschen entschlossener für eine ähnlich kollaterale ORF-Politik entscheidet wie die SPÖ mit dem Vorsitzenden des Stiftungsrats, pulverisieren sich die großen, ORF-Generalswahlen oft bestimmenden "Freundeskreise" womöglich selbst. Das wäre doch schon ein wesentlicher Schritt weiter - zu einem ORF, den Annahmen, Spekulationen über und Abwehr von Medienpolitik und ihren Einflussversuchen nicht bei seiner Aufgabe stören: möglichst umfassend möglichst unabhängig zu berichten.

Man wird sich doch ein bisschen - naive - Hoffnung bewahren dürfen. (Harald Fidler, derStandard.at, 7.5.2014)