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Eine Salzburger Erregung: In Stefan Herheims "Entführung" reichen einander Albernheiten und gute Ideen die Hände.

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Hans Werner Henzes neue Oper "L'Upupa" entführte in eine märchenhafte Welt mit musikalischem Adagioflair.

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Die zweite Saison von Peter Ruzicka als Chef der Salzburger Festspiele hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck: Dem fast vollen Mozart-Erfolg stehen konventionelle Abende und konzertante Opernkompromisse gegenüber. Auf eine vollends gelungene Saison wartet man noch vergeblich.


Salzburg - Wie sich die Premierenstürme nun langsam legen und das Salzburger Festival mit den Moderneklängen der "Salzburger Passagen" zum kleinen finalen Kraftakt ausholt, wird bilanzierend evident: Wie letztes Jahr strahlte es auch heuer unverwechselbar vor allem dann, wenn es Mozart zu Wort kommen ließ. So wie der Don Giovanni-Erfolg im Vorjahr für eine am Ende akzeptable Bilanz sorgte, weil er manches überdeckte, so ist es auch heuer wieder Mozart, der nun die zweite Saison Peter Ruzickas den Nimbus des einigermaßen Gelungenen retten kann.

Die Auslastung, heuer sehr gut, ist nicht alles und in Salzburg gewissermaßen keine Kunst. Sie ist durch kulinarische Programmmittel plus vorhandenes Festivalrenommee für eine Weile problemlos erreichbar. Und zweifellos wird diese Karte in Salzburg absichernd ausgespielt, heuer etwas weniger als im letzten, etwas überkulinarisch und die Moderne vernachlässigend programmierten Jahr.

Allein, von Salzburg ist Virtuosität in einer anderen Disziplin gefordert: gefallen, ohne gefällig zu sein. In neue Dimensionen vorzustoßen, ohne kommerziell abzustürzen - also immer wieder aufs Neue die Fusion von Unverwechselbarkeit und Zeitgemäßheit bewerkstelligen. Mit Titus und der Wiederaufnahme von Giovanni ist dies sowohl im vokalen wie im theatralischen Bereich gelungen; das Team Harnoncourt/Kusej ist das Rückgrat der Intendanz Ruzicka.

In Falle der Entführung aus dem Serail hat man sogar ein wenig Mut gezeigt, den jungen Stefan Herheim, den Ruzicka an seiner zweiten Arbeitsstätte, der Münchner Biennale, entdeckt hat, regiemäßig zulangen zu lassen. Das ging zwar ob der szenischen Überfülle an Ideen, einem doch etwas aufgesetzten Konzept und der nicht überragenden Besetzung in die Festivalhose.

Aber immerhin, es war ein Lebenszeichen der Risikofreude, wenngleich ein kleines im Vergleich zu Bayreuth, wo man in den nächsten Jahren mit Neoopernregisseuren wie Lars von Trier und Christoph Schlingensief Musiktheaterroulette zu spielen gedenkt.

Um Mozart herum? Da ist heuer natürlich die herzeigbare Uraufführung von Henzes "Opernwiedehopf" , der die Wiener Philharmoniker immerhin in Bereiche der gemäßigten Moderne führte. Ansonsten jedoch eine routinierte Form von Normalität: Don Carlo als Übernahme aus der Mortier-Zeit, die schon damals nicht sehr überzeugte; und ein Hoffmann, der an solide alte Regiezeiten erinnerte. Dahinter: Eine konzertante Wüste, also zwei Salzburger Programmsäulen (Richard Strauss und Exilkomponisten), die nur noch halb stehen, da man bei der Ägyptischen Helena und den Bakchantinnen von Egon Wellesz aus Geldnot auf szenische Umsetzungen verzichten musste.

Schließlich das kulinarische Konzertprogramm. Es ist von einer alle befriedenden Vielseitigkeit zwischen Muti und Boulez. Das schmerzt nicht, sieht man von einem oberflächlichen Liederabend (Angela Gheorghiu) ab. Sicher aber ist, dass, bezogen auf Überraschung und dramaturgische Spannung, im Konzertbereich ein Rückschritt im Vergleich zur Ära Hans Landesmann zu verzeichnen ist.

Eine alles andere als perfekte Saison also. Doch schon fordert die euphorisierte Kulturpolitik eine Verlängerung des Vertrags von Peter Ruzicka (bis 2011). Das sollte ihm selbst zu denken geben.

Er hat zwar schon vermittelt, dass er sein Konzept bei dieser Finanzlage (heuer 17 Prozent weniger als im letzten Mortier-Jahr) nicht voll umsetzen wird können - eine Situation, die sich durch den möglichen Wegfall des Mäzens Alberto Vilar verschärfen wird. Ruzickas diesbezügliche Leidens- und Verzichtfähigkeit ist jedoch auffallend groß.

Die Salzburger Passagen wird es nicht jährlich geben, sondern nur alle zwei Jahre, obwohl Ruzicka den Zweijahresrhythmus selbst als alibihaft gegeißelt hat. Möglich auch, dass die Uraufführung einer Olga-Neuwirth-Oper gestrichen wird. Auch andere Premieren sind fraglich.

Erschwerend kommt hinzu, dass man den Theaterbereich, der heuer florierte, finanziell und räumlich in die Enge treibt (der neue Theaterchef Martin Kusej hat schon gedroht, sich zu wehren). Und auch das Mozart-Jahr mit seinem Aufführungsplan (alle 22 Opern) wirft die Frage auf, ob hier nicht ein Gesamtkunstwerk der übertriebenen Kompromissbereitschaft im Entstehen begriffen ist. Weil Salzburg wenig selbst produzieren und viel an mittelmäßigen Produktionen einladen wird.

Ruzicka sollte aufzeigen, wo seine Schmerzgrenzen sind, und nicht im Zweifelsfall immer auf die Moderne verzichten. Oder die Programmprobleme auch bei finanzieller "Not" lösen und endlich eine rundum gelungene Saison hinlegen. Dann könnte er bei einer Verlängerung auch sich selbst in den Spiegel schauen. (DER STANDARD, Printausgabe, 23./24.8.2003)