Peter Vujica

Irgendwann wird es Zeit, auch einmal eine Berühmtheit zu erwähnen, welche der steirischen Mur-Metropole aus unerfindlichen Gründen niemals die Ehre eines Besuches erwiesen hat: Eine solche Berühmtheit, die in Graz durch Abwesenheit glänzte, ist zum Beispiel der amerikanische Komponist Charles Ives.

Doch ganz so absent, wie man glauben könnte, war er bis in die späten 60er-Jahre hinein auch wieder nicht. Zumindest geistig war er nämlich zur Sommerzeit sehr oft präsent. Und zwar mit seinem Orchesterstück Three places in New England. Nicht, dass es etwa aufgeführt wurde. Doch - wäre besagter Charles Ives in Graz gewesen, hätten ihn die akustischen Besonderheiten dieser Stadt möglicherweise zu einem ähnlichen Werk inspiriert.

In den erwähnten Three Places ahmt der Meister das akustische Kauderwelsch nach, das sich ergibt, wenn sich mehrere Militärkapellen sternförmig auf ein und denselben Platz zu bewegen. Da Graz vor seinem Aufstieg zur Kulturhauptstadt hauptsächlich als Seniorenrefugium, für kurze Zeit auch als Stadt der Volkserhebung, aber nie als Garnisonsstadt galt, hätte sich der amerikanische Tonsetzer wohl oder übel mit der Polizeikapelle begnügen müssen.

Im schmucken Pavillon neben dem Forum Stadtpark, an dessen Stelle damals ein idyllisches Kaffeehaus stand, trieben die forschen Mannen der Exekutive so manchen Abend zur Freude ihrer Klientel ihr mitunter mächtig dröhnendes Wesen. So kraftvoll, dass eine andere Zuhörergemeinde in ihrer herzerhebenden Lauschandacht empfindlich gestört wurde.

Nämlich jene, die sich zur selben Zeit in den Schlossberg-Kasematten an Beethovens Fidelio erbaute. Da konnte es schon vorkommen, dass, während Florestan im Dunkel seines Kerkers schmachtete, gewissermaßen zur Lockerung der trüben Stimmung aus dem Stadtparkpavillon die Badner Madeln hereinwehten oder Paul Linckes Glühwürmchen zu flimmern begann.

Wer weiß, welch reizvolle Klangcollage da der Notenfeder von Charles Ives entquollen wäre. Jetzt ist natürlich alles ganz anders. Der dunklen Ruhe des kulturhauptstädtischen Uhrturm-Zwillings können allfällige akustische Eindringlinge aus dem Stadtparkpavillon nichts anhaben.

So wird er den heutigen Start einer für alle Wochenenden bis Ende September angesetzten Konzertreihe wohl gelassen über sich ergehen lassen und den vielen Zuhörern, die diese Konzerte schon in Vorjahr anzogen, sicher ihre Freude gönnen. Auch wenn diese von Salonmusik bis Jazz, Latin und Brass reichenden Klänge natürlich ganz und gar nicht kulturhauptstädtisch sind.

Schon deshalb nicht, weil alle mitwirkenden Ensembles aus der Kulturhauptstadt stammen.