Die Bildhauer Oswald Stimm und Stephan Fischer im Jahr 2000 beim Verladen eines Kunstwerkes im alten Heizhaus.

Foto: Newald

Oswald Stimms Objekt "Form" (1952). Zuletzt war 2010 im Künstlerhaus unter dem Titel "Viaje a la luna en el fondo del mar" ein Querschnitt seiner Arbeiten zu sehen.

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Wien  - Er verarbeitete das, was anderen wertlos erschien. Kein Abfall, sondern Fundstücke: Hölzer, in die sich ihre Geschichten eingegraben haben, etwa das Wurzelholz eines Birnbaums oder die Bretter von Orangenkisten, die er während seiner Zeit in Argentinien gerne benutzte, verbogenes Eisen und matte Bleche.

Dorthin war der 1923 in Wien geborene Stimm, der bei Josef Müllner und Franz Santifaller an der Akademie der bildenden Künste Bildhauerei studiert hatte, 1951 ausgewandert. Er nahm Kontakte zur Avantgarde auf, wandte sich dem russischen Konstruktivismus zu.

Mit seinen konstruktiv-informellen Objekten aus Röhren und Kisten schlug der Heimkehrer Mitte der 1960er Jahre in der österreichischen Bildhauerei einen völlig neuen Weg ein. "Er abstrahiert radikal. Die Figur verliert Gesicht und Glieder, objektiviert sich in ein technoides Gebilde, der Abbildcharakter entfällt und Architektur wird vorherrschend", sagte Otto Mauer über ihn. Und: "Stimm ist ein freier Baumeister, der der Sorge und Last enthoben ist, Nutzgebilde für eine konsumierende Gesellschaft zu erzeugen." 1973 lockte es Stimm abermals aus Österreich weg: Er nahm einen Lehraufrag in Zaire an, kam 1982 endgültig zurück.

Stimms Atelier im Wiener Prater war ein Universum. Ein Ort, der seine Besucher faszinierte. Ein vermeintliches Chaos aus fertigen Skulpturen und Material, das sich wie junges Holz erst ablagern muss, bevor an Verarbeitung zu denken war. Ganz im Kontrast zu seinem langsamen sulpturalen Gestalten standen Stimms Zeichnungen: Dynamische, flinke Striche illustrierten das Überwerfen und Herauskristallisieren der endgültigen Formen gut.

Oswald Stimm, der heuer im August 91 Jahre alt geworden wäre, war ein Bildhauer der bedächtigen Langsamkeit und des kreativen Zweifels. Wie seine Galerie mitteilte, starb der Künstler bereits in der Nacht auf Dienstag in Wien. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 8.5.2014)