Sarah Spiekermann

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Zwei Phasen von IT Innovation liegen hinter uns: In der 1. Phase drehte sich alles um Funktionalität. Funktionsgetriebene "Hype-Cycles" wurden erschaffen für Produkte, in denen oft die Bedienbarkeit der Funktion geopfert wurde ("Form follows Function"). Nutzer wurden als Versuchskaninchen benutzt für eigentlich unausgereifte Programme. Computercode wurde schnell (zu schnell) und oft veröffentlicht ("release early, release often").  Aber wir mochten unsere IT Produkte trotzdem: Sie waren und sind praktisch wertvoll.

In der 2. Phase wurde (dank Apple) mit der Nichtbedienbarkeit technischer Produkte aufgeräumt und es wurde ein neuer Wert erschaffen, der nicht mehr wegzudenken ist: der der Schönheit und Bedienerfreundlichkeit. Nutzer sind nun DAUs (= Dümmste anzunehmende Nutzer), ja. Aber dafür hat die einfache Programmierung vieler Webdienste die kryptische Welt des "Computing" auch ein stückweit demokratisiert.

Nur: Was kommt als nächstes?

Einige Leute haben eine sehr klare Vision von der Zukunft. Sie nennen sie "GNR". Das steht für Genetik, Nanotechnologie und Robotik. Es zirkulieren auch die Begriffe "Transhumanismus" oder "Singularität". Alle diese Begriffe haben gemeinsam, dass sie die Ablösung der menschlichen Rasse durch Maschinen anstreben. In der Sicht dieser Leute sind Menschen suboptimale biologische Systeme, die auf ganzer Linie den Maschinen unterlegen sind. Der Mensch wird als Episode in der Evolution von Information betrachtet. Andere Leute sind weniger apokalyptisch als die Transhumanisten. Sie wollen uns lediglich unsere informationelle Selbstbestimmung nehmen.

Egal welche Vision oder IT Phase wir jedoch nehmen, ein Phänomen hält sich hartnäckig: Die eines erbärmlichen Menschenbilds. Generell werden Maschinen als die überlegenen Systeme im Vergleich zum Menschen angesehen.

Die Ethische Maschine ist eine alternative Vision.

Sie ist eine menschenfreundliche Vision davon, wie wir die Macht unserer IT Innovation kanalisieren können. Innovation, die WIR SELBST erschaffen.

(1) Die Ethische Maschine vertraut zutiefst in die Fähigkeiten des Menschen und die ungeheure Intelligenz, die in unserem biologischen System angelegt ist (und die bisher weitestgehend unverstanden ist). Dieser Respekt vor dem Menschen als Krone der Schöpfung impliziert, dass

(2) Die Ethische Maschine den Menschen als überlegenes System begreift. Die Ethische Maschine kann ein künstlicher Coach sein, aber sie ist so gebaut, dass wir sie vollständig kontrollieren, jeder von uns.

(3) In das menschliche System greift Die Ethische Maschine nicht ein.

(4) Maschinen dürfen unsere Fähigkeiten ergänzen und mit uns kooperieren, wo sie hilfreich sind. Ethische Maschinen ersetzen uns aber nicht oder versuchen, uns ähnlich zu sein.

(5) Keine ethische Maschine ist wie die andere. Stattdessen passt sich Die Ethische Maschine einem Individuum an und unterstützt ihn oder sie in dem jeweils individuell verschiedenen Wunsch, glücklich zu sein und zu wachsen.

(6) Ethische Maschinen sind bereits nach den Prinzipien von "Ethics by Design" gebaut. Das heißt, dass sie mit einem Gefühl von Verantwortung gebaut werden mit dem Ziel, nicht nur den Menschen zu respektieren, sondern auch unsere Werte zu fördern: Identität (inkl. Arbeit/Beschäftigung), Gesundheit, Wahrheit und Transparenz, Wissen, Verstehen, Weisheit und Tugendhaftigkeit, wahre Freundschaft und Kooperation, Harmonie und Maß im eigenen Leben, Macht, Kontrolle und das Gefühl, Dinge erreichen zu können, Selbstausdruck, Freiheit (inkl. Freiheit der Gedanken) und Privatsphäre (inkl. dem Recht, alleine gelassen zu werden, Ruhe und informationelle Selbstbestimmung), Sicherheit, Abenteuergeist und Freude an Neuem, Würde, Schönheit und Gerechtigkeit.

(7) Schließlich erkennt Die Ethische Maschine die Macht an, die in unseren Sinnen verborgen liegt. Sie betrachtet die menschliche Intelligenz als ganzheitliches System von Körper und Geist sowie als ein System der Interkation mit anderen Menschen.

Weise Unternehmensführung und Investitionskanalisierung sowie offen denkende Ingenieure können ethische Maschinen erschaffen. Es liegt in ihrer Macht. In unserer Macht. Ethisches Denken muss ein integraler Bestandteil von IT Entwicklungs- und entwurfsprozessen werden. (Sarah Spiekermann aus Berlin, 8.5.2014)