Michael Martinek, Chef von Schelhammer & Schatterer, diskutiert mit Gabriele Zgubic von der Arbeiterkammer über das Informationsangebot zu nachhaltigen Fonds.

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STANDARD: Die Arbeiterkammer hat nachhaltige Fonds kürzlich harsch kritisiert. Warum?

Gabriele Zgubic: Weil es für Anleger zu wenige Angaben gibt, was einen Fonds nachhaltig macht. Hat der Fonds einen ökologischen oder sozialen Schwerpunkt? Leicht verständliche Infos, was manche Unternehmen zu nachhaltigen macht, fehlen. Zudem macht sich jede Bank ihre Kriterien selber, weil es keine bindenden Vorschriften gibt. Investiert ein Fonds zu 51 Prozent in nachhaltige Unternehmen, reicht das auch.

Michael Martinek: Wir können mit dieser Kritik gut umgehen. Ein Thema ist sicher die Frage: Was ist nachhaltig und was ethisch? Da wird es wohl nie eine staatliche Definition geben. Was man machen muss, ist, zu sagen, auf welcher Basis die Bewertungen und Ausschlusskriterien zustande kommen. Da gibt es unterschiedliche Ansätze, und die muss man dem Investor transparent machen. Wir schließen bei unseren Fonds auf der Basis von christlich-sozialen Werten etwa die embryonenverbrauchende Forschung aus. Das ist aber auch offengelegt.

STANDARD: Wo genau findet der Privatkunde all diese Informationen?

Martinek: Das Schwierige ist zu sagen, welche Infos man in welcher Dichte wo anbietet. Wenn man es ernst nimmt, entstehen viele Daten. Der Vorwurf, die Kriterien seien nicht transparent, trifft nicht zu. Die Infos kann jeder haben. Wir bewerten auch Fremdfonds mit einem hausinternen Rating.

STANDARD: Einzelanalysen, Kriterienkataloge ... wo genau sind die Transparenzlücken?

Zgubic: Die Informationen sind oft recht allgemein gehalten. Es ist nicht klar, ob Kriterien laufend überprüft werden und von wem. Je mehr man sich mit dem Thema beschäftigt, desto mehr Fragen bleiben offen.

Martinek: Von einer gewissen Informationsverantwortung kann ich den Konsumenten nicht entbinden. Wir machen zum Geschäftsbericht auch noch einen Nachhaltigkeitsbericht. Wenn Sie nachschauen, können Sie bei uns alle Kriterien einsehen.

Zgubic: Schaut man sich nachhaltige Fonds genau an, entstehen schnell Fragen. Warum schaffen es Banken in nachhaltige Fonds oder andere Werte, die man nicht erwartet hätte? Die Begrifflichkeiten sind nicht geklärt.

STANDARD: Wie werden Titel und Kriterien ausgewählt? In manchen Fonds werden geächtete Waffen wie Splitterbomben ausgeschlossen, traditionelle Waffen aber erlaubt. Wieso werden da keine klareren Grenzen gezogen? Waffe ist Waffe.

Martinek: Man muss das Nachhaltigkeitsthema auch von der Seite des Machbaren aus betrachten. Wenn man es sehr radikal sieht und sagt, ich will nur Schwarz oder Weiß, dann bleibt an Firmen, Aktien und Ländern nicht genug übrig, um eine Risikostreuung darstellen zu können. Es gibt auch Grauzonen, bei der Rüstung etwa. Jedes Land hat ein Rüstungsbudget. Daher haben wir die Regelung getroffen, dass, wenn das Rüstungsbudget größer als drei Prozent des BIP ist, dieses Land ausgeschlossen wird. Bei der Todesstrafe ist das rigoroser: Gibt es in einem Land diese Strafe, werden keine Staatsanleihen gekauft. Wir glauben, dass man nicht alles mit Schwarz oder Weiß beurteilen kann.

STANDARD: Sie sagen, je genauer man die Grenze zieht, desto kleiner wird das Investmentuniversum. Wird es damit aber nicht auch ehrlicher?

Martinek: Natürlich. Aber wenn am Ende nichts mehr bleibt, dann bringt es auch nichts. Man kann immer etwas finden, wogegen verstoßen wird. Wer frei von Schuld ist, werfe den ersten Stein. Man kann die perfekte Welt anstreben, aber man wird sie nicht erreichen. Man muss pragmatischer an das Thema herangehen. Das tun wir etwa mit dem Best-in-Class-Ansatz. Dabei werden Branchen gerankt und offengelegt, was gerade noch akzeptabel ist ...

Zgubic: ... damit schaffen aber auch Erdölunternehmen den Weg in nachhaltige Fonds. Zu sagen: Lieber Anleger, schau dir die Unterlagen an - damit macht man es sich ein bisschen einfach und schiebt die Verantwortung dem Einzelnen zu. Der Konsument will eines nicht: Er will nicht getäuscht werden und nicht in Unternehmen investieren, die erfolgreich "greenwashing" betreiben. Einheitliche, verbindliche Standards würden hier wirklich helfen. Es ist wichtig, dem Konsumenten die Restzweifel zu nehmen.

Martinek: Beim Autokauf werden auch Prospekte angesehen und Produkte miteinander verglichen.

Zgubic: Es gibt bei Autos aber sehr strenge Sicherheitsbestimmungen. Ich finde es daher auch gut, wenn man die Produkte besser kategorisiert. Jetzt kann jeder seine Definitionen selber machen. Damit wird das System unüberschaubar und intransparent.

Martinek: Beim Autokauf gibt es auch unterschiedliche Kunden. Die einen wollen nur den Schlüssel reinstecken und losfahren. Andere sind Technikfreaks, die wollen wissen, wie viele Zylinder und Ventile es gibt.

STANDARD: Es gibt ja mehrere Gütesiegel, etwa das Umweltzeichen oder die United Nations Principles for Responsible Investments. Was steckt hinter diesen Stempeln?

Martinek: Beim Gütesiegel kann man sich darauf verlassen, dass von den Fonds bestimmte Kriterien eingehalten werden. Aber wieder nur die, die das Gütesiegel vorschreibt. Darauf muss man vertrauen.

Zgubic: Bei einem Gütesiegel habe ich zumindest eine Grundsatzinformation. Wichtig sind auch externe Agenturen, die Fonds prüfen. Da gibt es aber auch keinen Zulassungsprozess, sondern nur private Unternehmen, die wiederum ihre Kriterien selber machen.

STANDARD: Wie funktioniert das System der externen Ratings?

Martinek: Wir haben einen Ethikbeirat, der unsere Anlagekriterien mit uns bespricht. Zudem arbeiten wir mit der deutschen Ratingagentur Ökom-Research zusammen, die Unternehmen auf ihre Nachhaltigkeit prüfen. Die Frage ist immer, wie gut die Agentur und ihr Netzwerk ist und wie viel Grauzone man zulässt. Ausgeschlossen werden sollen ja Dinge, wo es Missbrauch gibt.

Zgubic: Und Glückspiel? Das ist bei fast jedem nachhaltigen Fonds ein Ausschlusskriterium.

Martinek: Ich weiß, das ist ein heikles Thema für uns. Ja, Schellhammer & Schattera ist seit den 1930er-Jahren an den Casinos Austria beteiligt. Damals hat man Kasinos, die staatlich geregelt waren, anders gesehen. Heute ist das alles privatisiert, und es gibt einen anderen Zugang. Wir haben unseren Anteil von über 30 Prozent auf knapp unter zehn Prozent gesenkt. Für uns ist das keine strategische Beteiligung, und wir werden die restliche Beteiligung auch noch veräußern. In unseren nachhaltigen Fonds ist Glückspiel ausgeschlossen. Wir wissen, das ist bei uns ein Stachel im Fleisch.

STANDARD: Das Key Investor Document (Kid) soll Kunden eine gute Erstinformation bieten. Stehen dort Kriterien für nachhaltige Fonds?

Martinek: Nein. Das Kid geht auf Fragen der Ethik und Nachhaltigkeit nicht ein.

Zgubic: Es ist aber auch nicht verboten, dort eine entsprechende Information zu bieten. Bei von uns geprüften Kids waren nur in fünf von zehn die Kriterien angerissen, die den Fonds nachhaltig machen.

STANDARD: Warum gibt es da keine genauere Information?

Martinek: Ich bin der Meinung, dass man eine gestaffelte Informationsdichte anbieten muss. Natürlich kann man viel ins Kid packen. Es darf aber nur einen bestimmten Umfang haben und soll einen Grobüberblick bieten. Wer mehr Information braucht, bekommt auch mehr. (Bettina Pfluger, DER STANDARD, 9.5.2014)