
Der Marsch gegen die Angst vor dem Jobverlust. Die Siemens-VAI-Mitarbeiter machten auf der Straße ihrem Ärger Luft.
Linz - Der Arbeitstag begann am Donnerstag für rund 200 Mitarbeiter der Siemens VAI mit einem Fußmarsch. Beginnend bei der Firmenzentrale, zogen die Beschäftigten mit Transparenten ("Mit uns nicht, da könnt ihr kopfstehen!") und einem Trauerkranz samt Schleife ("Eine österreichische Lösung - in letzter Erinnerung") zu einer Informationsveranstaltung der Siemens VAI in das Linzer Designcenter.
Geprägt war die Stimmung im Protestmarsch von einer Mischung aus Wut und tiefer Verunsicherung. Erst am Mittwoch hatte die Belegschaft vom Einstieg Mitsubishi Heavy Industries (MHI) bei der Siemens VAI erfahren. "Gerüchte gab es schon länger im Betrieb. Denen, die nachgefragt haben, hat man beinhart gesagt, dass nichts im Busch sei. Man hat uns Mitarbeitern ins Gesicht gelogen - so weit haben wir es bei der VAI gebracht", machte ein Mitarbeiter im Standard-Gespräch seinem Ärger Luft.
Infos im Designcenter
Vor dem Designcenter hatten da bereits die Busse mit Kollegen geparkt, die sich gegen einen Pilgermarsch entschieden hatten. Vereint war man ohnehin im Ärger über die Geheimfusion: "Wir mussten alles aus den Medien erfahren, so geht man mit Mitarbeitern nicht um. Siemens hat versagt", ärgerte sich eine Frau, die ungenannt bleiben will.
Im Saal wurden die rund 1.000 Mitarbeiter von der Siemens-Führungsriege in Empfang genommen. Erstmals präsentierten Siemens-Österreich-Vorstand Wolfgang Hesoun und der Siemens-Unit-Metals-Technologies-CEO Albrecht Neumann Details zum Japan-Deal. Mit Jahresende, sofern die Kartellbehörde zustimmt, sollen Siemens VAI und MHI als neu gegründetes Joint Venture auftreten, an dem MHI 51 und Siemens 49 Prozent halten werden.
Als Zentrale habe man Manchester ins Auge gefasst. Das Kräfteverhältnis im künftigen Vorstand ist mit drei (MHI) zu zwei (Siemens) klar geregelt. Und man wird mit einem neuen Namen auftreten: "Industrial Metal Technologies". Insgesamt werde das Joint Venture 9000 Mitarbeiter umfassen. "1000 von Mitsubishi, 8000 von Siemens VAI", betonte Neumann.
Operatives Headquarter in Linz
Bevor Hesoun und Neumann im Designcenter die Mitarbeiter über die Zukunft von VAI informierten, hatte Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) die beiden zum Gespräch ins Landhaus gebeten. "Es wäre falsch, wenn ich sage, wir sind beruhigt", kommentierte Pühringer im Anschluss an die Unterredung. Denn eine Garantie für den Fortbestand aller Arbeitsplätze in Linz wollte keiner der CEOs geben. "Kein Kommentar", sagte Neumann zur Presse.
Auf Nachfrage von Journalisten erklärte er dann nur: "Ich kann nicht ausschließen, dass Arbeitsplätze wegfallen." Darüber entscheide aber einzig die Auftragslage. 1600 Mitarbeiter und 170 Leasingarbeiter sind derzeit am Standort Linz beschäftigt.
Über eines zeigten sich Pühringer und die Regierungsmitglieder der anderen Parteien nach der Unterredung aber erleichtert: Betonte Hesoun doch erneut, dass Siemens den Industrieanlagenbauer VAI nicht verkaufe, sondern ein Joint Venture mit MHI eingehe und das operative Headquarter in Linz bleibe.
Gemischte Meinungen
Konkret soll es künftig weltweit zehn bis zwölf operative Headquarters geben, vier oder fünf davon in Linz, erläuterte der Landeshauptmann: "Wir bleiben weiterhin hellwach und schauen, ob diese Vorgaben eingehalten werden." Gelinge es, in Linz die Kernkompetenz Forschung und Entwicklung zu halten, könne der hiesige Standort sogar gestärkt werden, gab sich Wirtschaftslandesrat Michael Strugl (ÖVP) leicht optimistisch.
Mit Mitsubishi erhielte VAI einen "starken Partner", somit könne am angespannten Stahlmarkt eine bessere Marktposition erreicht werden. Auch Landesrat Rudi Anschober (Grüne) sah in dem Joint Venture eine "Chance". Die beiden Unternehmen ergänzten und überschnitten sich nicht, sowohl bei der Marktdurchdringung, der geografischen Präsenz und dem Portfolio.
Nicht ganz so rosig bewerteten Landesrat Reinhold Entholzer SPÖ) und Manfred Haimbuchner (FPÖ) das Gespräch mit den CEOs. Entholzer kritisierte die mauernde Kommunikationspolitik von Siemens. Und Haimbuchner forderte ein Umdenken bei der Steuer- und Abgabenpolitik, ansonsten sei der Industriestandort Europa gefährdet. (Markus Rohrhofer, Kerstin Scheller, DER STANDARD, 9.5.2014)