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Martin Schulz (links im Bild) und Jean-Claude Juncker im TV-Studio in Berlin.

Foto: EPA/Markus Schreiber / POOL

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Die Kandidaten mit den Moderatoren Peter Frey vom ZDF und Ingrid Thurnher vom ORF.

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Es waren insgesamt recht ruhige 95 Minuten, die am Donnerstagabend aus Berlin über die Bildschirme flimmerten. Die beiden Spitzenkandidaten der zwei Großparteien Jean-Claude Juncker (EVP) und Martin Schulz (SPE) bei der Wahl zum EU-Parlament traten in einem von ORF und ZDF gemeinschaftlich organisierten TV-Duell gegeneinander an. Abseits der Kamera wären die beiden befreundet, war gleich zu Beginn der Sendung zu hören. Und diese Freundschaft war auch für das Publikum einigermaßen sichtbar. Große Meinungsunterschiede waren zwischen den beiden kaum auszumachen, so sehr sich die Moderatoren, Ingrid Thurnher und Peter Frey auch bemühten.

Viel Einigkeit, wenig Konflikt

In Sachen Ukraine gaben beide der Diplomatie der Vorrang. Das heftig debattierte Freihandelsabkommen TTIP wollen beide nicht als Mittel zur Senkung von Sozial- und Lebensmittelstandards verstanden wissen. Die Debatte um Sozialschmarotzer verwiesen beide Kandidaten ins Reich des Populismus. Unterschiede gab es beim Thema Steuerpolitik: Hier will sich Schulz dafür einsetzen, dass Firmen dort Steuern zahlen, wo sie auch Gewinne machen. Auch eine einheitliche Steuerpolitik innerhalb der EU befürwortete der SP-Kandidat. Juncker hingegen sprach sich für das Fortbestehen des Steuerwettbewerbs zwischen den Mitgliedsstaaten aus.

Emotional wurde Schulz beim Thema Zuwanderung. Er forderte eine europaweit koordinierte Zuwanderungspolitik, die abgegrenzt von Asyl- und Flüchtlingspolitik stattfinden müsse. Zu dieser Thematik sagte Schulz: "Die EU muss damit Schluss machen, Leute im Mittelmeer ersaufen zu lassen."

Gegen EU-Erweiterung

Sowohl Juncker als auch Schulz lehnten eine Erweiterung der EU in den kommenden fünf Jahren ab. Weder die Ukraine noch ein anders europäisches Land wären reif für einen Beitritt. Schulz will die künftige EU-Kommission zur Hälfte mit Frauen zu besetzen. Im Falle einer Wahl zum Kommissionspräsidenten werde er es nicht akzeptieren, wenn die Regierungen der Mitgliedstaaten nur männliche Kandidaten nach Brüssel schickten, sagte Schulz im TV-Duell mit seinem konservativen Konkurrenten Juncker.

Jean-Claude Juncker wirkte im Vergleich zu Schulz ein wenig hölzern. Er hatte aber auch - im Gegensatz zu Schulz - den Nachteil nicht in seiner Muttersprache reden zu können. Schulz kam auch seine rhetorische Erfahrung als langjähriger Europaparlamentarier zugute. 

Merkel: Nationalstaaten sollen Kommissionschef bestimmen

Welche Fraktion des EU-Parlaments am 25. Mai die meisten Stimmen bekommt, sollte aller Voraussicht nach auch den künftigen Kommissionspräsidenten stellen. Allerdings pocht aktuell die deutsche Kanzlerin Angela Merkel auf dem Recht der EU-Staats- und Regierungschefs, nicht automatisch den Spitzenkandidaten der bei der Europawahl siegreichen Partei als Kommissionspräsidenten zu nominieren.

"Nach dem Lissabon-Vertrag ist es so, dass das Parlament auf Vorschlag des Rats der Staats- und Regierungschefs den Kommissionspräsidenten wählt und dass dabei der Rat den Ausgang der Wahl berücksichtigt", sagte Merkel der "Rheinischen Post" (Freitagsausgabe). Die Spitzenkandidaten der Parteienfamilien in Europa würden in diesem Zusammenhang "natürlich eine Rolle spielen".

Es wird seit Monaten in Brüssel spekuliert, dass Merkel und ihre Kollegen nach der Wahl einen eigenen Kandidaten für die Führung der mächtigen Behörde vorschlagen könnten. In dem Interview mit der "Rheinischen Post" schloss Merkel ein entsprechendes Vorgehen nicht aus. Sie sagte: "Wir haben eine klare vertragliche Grundlage, mit der der Europäische Rat dem Europäischen Parlament seinen Vorschlag für den nächsten Kommissionspräsidenten machen wird." 

Gabriel kontert Merkel

Der Vorsitzende der deutschen Sozialdemokraten, Sigmar Gabriel, hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Mauscheleien bei der Kür des künftigen Präsidenten der EU-Kommission gewarnt. "In der Demokratie gibt es einen Automatismus. Wer die meisten Stimmen bekommt, gewinnt", sagte Gabriel am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. (mka/APA, derStandard.at, 9.5.2014)