Denmark & Austria (v. li.): Steen Thygesen (CEO Specialisterne), Elisabeth Krön (Specialisterne Austria), Thorkil Sonne (Gründer), Andreas Keplinger und Stephan Dorfmeister (Specialisterne Austria).

Foto: ho

"Insgesamt habe ich siebenmal die Schule gewechselt und danach noch die Lehre geschmissen. Eigentlich kann ich ganz gut mit Zahlen - mir ist einfach mein Asperger dazwischengekommen", schildert einer von acht Teilnehmern des Qualifizierungsprogramms bei Specialisterne (Dänisch für Spezialist) seine Ausbildungslaufbahn. Seit 2011 gibt es den Österreich-Ableger der dänischen NGO, die sich der Qualifizierung und Vermittlung von Menschen mit autistischer Wahrnehmung verschrieben hat. Geholt wurde sie vom Unternehmensberater Stephan Dorfmeister, der damit ein Konzept gefunden hatte, bei dem er sich sozial engagieren wollte.

Hingabe zum Detail

Laut dem Dachverband Österreichische Autistenhilfe sind 63 von 10.000 Kindern von einer "tiefgreifenden Entwicklungsstörung betroffen, 17 davon leiden an Autismus und acht am Asperger-Syndrom". In Österreich seien 13.600 Kinder von frühkindlichem Autismus betroffen. Die Diagnosen aber, so Elisabeth Krön, Projektleiterin bei Specialisterne Austria, häufen sich. Heute sei man viel informierter als noch vor einigen Jahren. Das habe auch zur Folge, dass bei immer mehr 30- bis 40-Jährigen Autismus diagnostiziert wird. Die Lebensläufe von Menschen im Autismusspektrum sind sehr brüchig, sagt Andreas Keplinger, ebenfalls Projektleiter im Verein. Häufig ende die Ausbildung mit dem 16, Lebensjahr, manche schaffen es bis zur Matura, sogar bis zum Studium - Arbeitserfahrung haben aber die wenigsten, sagt er. Das müsse man ändern, denn Unternehmen können von den Talenten dieser Menschen enorm profitieren - von der Hingabe zum Detail, der hohen Konzentrationsfähigkeit oder der Null-Fehler-Toleranz.

Engmaschige Begleitung

Menschen aus dem Autismus-Spektrum haben in vielen Fällen eine "Inselbegabung", eignen sich eine Vielzahl von Sprachen selbst an, sind musisch oder in der Mathematik hoch begabt. Ihre Kontakt- und Kommunikationsfähigkeiten sind allerdings eingeschränkt. Die Vermittlung an potenzielle Arbeitgeber sei dementsprechend strukturiert und engmaschig vom Team begleitet - in der Vorbereitung eines "Kollegen" auf einen Job, aber auch in der Vorbereitung der Menschen am zukünftigen Arbeitsplatz auf ihren neuen Kollegen. Oder wie es Keplinger ausdrückt: "Wir suchen Leute, die begabt sind, und Firmen, die begabt sind."

Seit September 2013 bietet Specialisterne deshalb ein weiteres Qualifizierungsprogramm an. Gefördert wird es vom Waff (Wiener Arbeitnehmerinnen Förderungsfonds), dem ESF (Europäischen Sozialfonds) und dem AMS (Arbeitsmarktservice). Abgewickelt werde es vom Wiener Werkstätten- und Kulturhaus WUK, so Krön. Acht Teilnehmer werden jeweils fünf Monate ihren individuellen Talenten entsprechend auf den Arbeitsmarkt vorbereitet. Drei Runden seien im ersten Schritt fixiert worden. Voraussetzungen dafür seien die Volljährigkeit, eine Diagnose, eine Meldung respektive eine AMS-Meldung in Wien. Vermittelt werde insbesondere im Bereich IT und Datenverarbeitung.

Erstes Kennenlernen

Meistens werden interessierte Firmenvertreter eingeladen und den potenziellen Kollegen vorgestellt. Längere Kennenlerngespräche, persönlicher und offener Austausch über bestimmte Ausprägungen des Autismus, Coachings und Workshops für die Mitarbeiter im nahen Umfeld ergänzen den Start im jeweiligen Unternehmen, so Krön. Selbstredend werden auch zukünftige Arbeitsplätze und -umgebungen vorab begutachtet. Meistens erfolge der Jobeinstieg dann über ein Praktikum. Mentoren und Coaches auf Unternehmens- und Vereinsseite stehen begleitend zur Verfügung. Auf diese Weise konnte der Verein Kollegen zu A1, Baumax, IMS, und kürzlich zu LexisNexis vermitteln. Und zwei Praktikanten bei Paysafe Card werden dort möglicherweise fix übernommen, so Krön stolz.

Aber nicht nur das. Breitere Aufklärung wünscht sich das Team auch im Bereich der Universitäten. Man wünsche sich für Menschen im Autismusspektrum einen barrierefreieren Zugang, so Krön. "Diese Menschen sind hochintelligent, sie brauchen allerdings viel mehr Struktur und stoßen nicht selten auf unüberwindbar scheinende Hürden wie überfüllte Hörsäle oder mündliche Prüfungen." Hier Ausnahmeregelungen zu finden sei ein nächstes Ziel. (haa, DER STANDARD, 10./11.5.2014)