"Menschen sind wichtiger als Lobbys", steht auf einem Plakat, auf dem Ernst Strasser zu sehen ist, der als Antiheld gegen Transparenz und Sauberkeit stehen soll, Kernthemen im Selbstverständnis der Grünen. Die Reaktionen im Forum waren da noch durchaus gemischt. Einige User orteten ein Absinken auf FPÖ-Niveau, andere fanden es nur richtig, die Causa Strasser im Wahlkampf nicht unter den Tisch fallen zu lassen. Die Grünen hatten sich im Nationalratswahlkampf mit Slogans wie "Weniger belämmert als die anderen" an Negative Campaining herangetastet und in Wahlspots die anderen Spitzenkandidaten als verzogene Kinder karikiert. Für den EU-Wahlkampf gibt es einen ähnlichen Spot: Als Klassenstreberin geht Eva Glawischnig mit den Parteichefs von SPÖ, ÖVP, FPÖ und Neos auf Klassenfahrt nach Brüssel.

Gänzlich vorbei war es mit der User-Sympathie jedoch, als die Grünen das Jugendmagazin "Eva", das es auch schon vor der Nationalratswahl gegeben hatte, neu auflegten. Im Stile eines Teenie-Magazins werden mehr oder weniger relevante Themen abgehandelt. Unter der Überschrift "So schmust Europa" wird, ohne Ergebnis, ermittelt, in welchen EU-Ländern es sich am besten züngelt, inklusive Sprachguide, um nicht lange herumflirten zu müssen. (Wann haben eigentlich Sie das letzte Mal den Satz "Magst schmusen?" ehrlich gemeint ausgesprochen?)

"Ursuper" am Studieren findet Sigrid Maurer, Nationalratsabgeordnete der Grünen, "das lustige Transparente-Malen für die große Studi-Demonstration", "die Freiheit, auch mal drauf zu scheißen und statt der Vorlesung raus in die Sonne zu gehen" und "das heimliche Verknalltsein in die Professorin oder den Studienassistenten".

In der Tat! Auch aus der eigenen Partei kam Unmut. Parteijugend-Chef Cengiz Kulac führte das "Eva"-Magazin in einem Blogeintrag als Beispiel an, warum man 75 Prozent der Parteienförderung streichen sollte. Er hatte bereits das erste Heft als Beitrag zur "Verblödung der Wähler" bezeichnet und damit für Unmut seitens der Parteiführung gesorgt. Diesmal wurde nicht lange gefackelt, Kulac wurde ein Diskussionsverbot in Schulen ausgesprochen.

Der Wahlkampf der Grünen macht vielen Usern Sorgen. Man würde ja gerne Grün wählen, aber die jüngsten Ereignisse lassen dann doch Zweifel aufkommen. Die Parteistrategen haben es aber auch nicht einfach. Wurde im Wahlkampf für die Nationalratswahl bemängelt, man würde zu wenige Ecken und Kanten zeigen und sich zu wenig gegen die anderen Parteien, vor allem die Neos, abgrenzen, so scheint es jetzt wieder zu viel zu sein.

Wäre doch der Wahlkampf der Grünen ein bisschen so wie die "Eva"-Foto-Lovestory: Ein junges Pärchen lebt in einer Welt, in der Heinz-Christian Strache Bundeskanzler und Österreich aus der EU ausgetreten ist. Es gibt kein Erasmus mehr, der Wirtschaft geht es schlecht, und die Fernbeziehung leidet unter den langen Wartezeiten an den Grenzen. Alles ist "scheiße" und irgendwie nicht mehr so, wie es einmal war. Aber dann läutet der Wecker, der grüne Teenie-Alptraum ist vorbei, und alles ist wieder gut. (Florian Stambula, derStandard.at, 10.5.2014)