Florian Scheuba (links) und Alfred Dorfer sprechen nun auch in der Öffentlichkeit über Fußball. Während der WM hat das Programm allerdings Pause, die beiden müssen vorm Fernseher sitzen.

Foto: Standard/Urban

Wir wollten die Großartigkeit darstellen, die der Fußball für uns hat, aber auch seine Fragwürdigkeit.

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Man wechselt den Klub nicht. Man fängt nicht an, nach dem Ajax-Match ein Fan von Red Bull Salzburg zu werden.

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Standard: Es gibt Handball, Basketball, Volleyball, Völkerball, Paintball und Opernball. Warum ein Programm just über Fußball?

Scheuba: Opernball ist absolut satiretote Zone. Handball wär insofern auch ein Thema gewesen, als ich selbst gespielt habe. Aber nur beim Fußball haben wir festgestellt, dass wir uns manchmal darin verlieren können. Der Fußball bewegt uns sehr.

Standard: Und Fußball ist, heißt es, Volkssport Nummer eins. Wären Dorfer und Scheuba Chinesen, würden sie wahrscheinlich ein Programm über Tischtennis machen.

Dorfer: Natürlich. Der chinesische Markt ist ja sehr groß, und mit dem Thema Tischtennis stößt man sicher auf viel Verständnis in der Bevölkerung. Aber auch über Tischtennis lässt sich wohl nicht so lange, oft auch sinnlos, diskutieren wie über Fußball.

Standard: Fußball hat viele Facetten, ist per se gar nicht lustig. Ist es nicht sehr schwierig, ein Programm zu entwickeln?

Scheuba: Wir wollten ernsthaft und ehrlich sein, das war unser Zugang. Wenn das Thema Fußball im Kabarett vorkommt, dann meistens mit Spielern, die nicht reden können, mit Trainern, die Blödsinn reden, mit Fans, die sich blöd aufführen. Vielleicht auch mit Männer/Frauen-Klischees, quasi Fußball gegen Rosamunde Pilcher. Das gefällt uns gar nicht, das stört uns.

Standard: Und die Alternative sieht wie aus?

Scheuba: Ambivalent. Wir wollen die Großartigkeit darstellen, die der Fußball für uns hat, aber auch seine Fragwürdigkeit. Wir bauen Fußball als Erkenntnismacht auf, die uns alles über das Wahre, Schöne und Gute erzählt - und zerstören es am selben Abend wieder. Weil wir auf 100.000 Sachen draufkommen, die nicht passen. Und aus diesen rauchenden Trümmern heraus versuchen wir dann, unsere Fußballliebe neu zusammenzusetzen.

Standard: Herr Dorfer, Sie sind Austrianer. Herr Scheuba, Sie sind Rapidler. Für viele Menschen ist die Liebe zu einem Verein fast die einzige Beziehung, die Bestand hat. Wie kommt das?

Dorfer: Das ist eine der wenigen Monogamien im Leben, die man sich leistet. Man wechselt den Klub nicht. Man fängt nicht an, nach dem Ajax-Match ein Fan von Red Bull Salzburg zu werden. Viele Fans der alten Austria Salzburg sind mit dem Klub nach ganz unten mitgegangen, weil sie nicht die Farben aufgeben wollten. Das kann ich gut nachvollziehen.

Standard: Über das österreichische Nationalteam kann man sich derzeit kaum lustig machen, oder?

Scheuba: Das ist auch ein wesentliches Thema für unser Programm. Wir bekennen uns dazu, dass wir leiwand finden, wie das Team spielt. Wir haben die Spiele angeschaut, das ist ein ganz guter Spirit. Der Fußballer als Dodel der Nation und der Skifahrer als Held der Nation, diese Verteilung haben wir immer schon als ein wenig ungerecht und sehr blöd empfunden.

Standard: Wie viele Trotteln in einigen Stadien sitzen, dass es bei etlichen Fans rechtsextremen Hintergrund gibt, was teilweise gesungen wird - kommt das in Ihrem Programm auch vor?

Dorfer: Furchtbar ist das. Der Fußball, das ist kein Schönreden, ist in der sozialen Verankerung so breit aufgestellt, dass du natürlich an den Rändern Problemerscheinungen hast. Die Frage ist, was die Klubs dagegen tun. Bei der Austria ist sehr lange zu wenig passiert.

Scheuba: Überall gibt es auch Volltrotteln. Aber gefühlsmäßig hat sich die Situation in den letzten Jahren verbessert.

Dorfer: Das andere Extrem ist die absurde Forderung, dass der Fußball durch und durch sauber sein soll, dass nicht geschimpft und geflucht werden soll.

Scheuba: Auch die Familiendisko in Salzburg ist ein Irrweg.

Standard: Freut man sich also, wenn Red Bull Salzburg gegen Basel gescheitert ist?

Dorfer: Nein, das nicht, das ist die Grenze. Die Salzburger haben ja toll gespielt. Ich hätte mir gewünscht, dass sie weit kommen.

Standard: Wie und wann ist Ihnen die Idee für dieses Programm gekommen?

Scheuba: Aus dem privaten Zugang, weil wir uns immer wieder über Fußball ausgetauscht haben. Als Satiriker greift man ja immer wieder auf seine eigenen Sachen, seine eigenen Komplexe, seine Dissonanzen mit der Welt zurück. Warum sind wir nach einer Niederlage zwei Tage traurig?

Dorfer: Nach dem Schweden-Spiel zum Beispiel.

Scheuba: Und aus diesem privaten Reden ist entstanden, dass es eine echte Herausforderung wäre, das zu thematisieren. Wir stehen ja auch zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne.

Dorfer: Wir haben immer wieder Analogien zu anderen Lebensbereichen gesucht. In anderen Lebensbereichen würde ich ja nicht plötzlich aufhüpfen - doch beim Alaba-Tor gegen Irland habe ich genau das getan.

Standard: Im Leben schlägt fast immer der Große den Kleinen. Im Fußball ist es ab und zu umgekehrt. Macht das seinen besonderen Reiz aus?

Dorfer: Das ist die Faszination vom Cup, im Gegensatz zur Meisterschaft. Dieses Prinzip wird in der Champions League kaputtgemacht, weil sie zu einer exklusiven Geschichte für vier Ligen geworden ist. Aber irgendwann wird es sich aufgehört haben, dass du zum zehnten Mal innerhalb von drei Jahren Real Madrid gegen Dortmund sehen willst.

Standard: Wieso trägt Ihr Programm den Titel "Ballverlust"?

Scheuba: Weil das an diesem Abend passiert. Wir beginnen, die Leute zu missionieren, wir wollen ihnen zeigen, wie schön, gut und wahr der Fußball ist, und im Laufe des Abends bröselt uns das völlig weg. Und dann bauen wir wieder eine neue Leidenschaft für den Fußball auf.

Standard: Themawechsel. Waren Sie schon in Brasilien?

Dorfer: Nein, aber in Argentinien.

Scheuba: Brasilien geht sich auch heuer für uns nicht aus. Wir geben uns die WM im Fernsehen.

Standard: Vor fast jeder WM, wie vor jeder EM oder vor Olympischen Spielen, überwiegen die Negativmeldungen. Reiht sich Brasilien da einfach nur ein?

Scheuba: Ich glaube, es wird schlimmer. Die Fifa war immer schon korrupt. Aber wenn der Fifa-Sprecher sagt, man dürfe die WM nur an Länder vergeben, die nicht überdemokratisiert sind, ist das ein Tabubruch. Und die Situation in Katar stellt eine völlig neue Qualität des Wahnsinns dar. Den Fußball-Jahreskalender umstellen, eine WM im Winter spielen - das geht über das übliche Stimmenkaufen weit hinaus.

Dorfer: Die Deutschen ziehen in Brasilien nicht einfach in ein Hotel, sie haben sich gleich eines gebaut. Auch nicht schlecht.

Scheuba: Das Problem ist ja nicht, dass eine WM dort ist, sondern unter welchen Bedingungen das läuft. Dass die Fifa in ein Land einreitet und sagt, wir zahlen keine Steuern, das steht im Fifa-Vertrag drinnen. Jeder Bewerber, der das kriegt, muss unterschreiben, dass er damit einverstanden ist. Das ist Raub.

Standard: Warum muss der Fußball immer wieder für die Schlechtigkeit der Welt herhalten?

Scheuba: Es ist nicht die Schlechtigkeit der Welt, es ist die Fifa, ihr Korruptionsnetzwerk. Dagegen richten sich die Proteste. Ich glaube nicht, dass es notwendig gewesen wäre, zum Beispiel in Manaus für ein paar WM-Spiele ein 40.000er-Stadion hinzustellen.

Standard: Wer verliert das WM- Finale?

Scheuba: Belgien.

Dorfer: Natürlich Belgien. (Christian Hackl und Fritz Neumann, DER STANDARD, 10.5.2014)