Othmar Karas sitzt seit über 15 Jahren im EU-Parlament. Auf dem Foto und in seinen Reden gibt er den selbstsicheren Europäer. Beim Smalltalk mit Bürgern wirkt er fast schüchtern.

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Innsbruck - Zumindest wenn es um Europa geht, ist Othmar Karas textsicher. Mit voller Inbrunst trällert er die Hymne - unvorbereitet, wie es hieß. Er steht inmitten der Fußgängerzone, wippt mit den Füßen, grinst, wie man ihn selten sieht, dann beginnt er auch noch zu dirigieren. Die schwarze Parteijugend hatte einen Flashmob organisiert. Etwa zwanzig Funktionäre tauchen überraschend vor der Annasäule auf und stimmen die Ode an die Freude an - anlässlich des Europatages und natürlich des Besuchs von Karas, der auf seiner Wahlkampftour gerade einen Stopp in Innsbruck macht.

Keine redseligen Bürger

Zuvor verlief sein Besuch etwas schleppender. In der Einkaufspassage der Rathausgalerien, wo Karas eine kurze Rede hielt, wollten sich gesprächsbereite Wähler nicht so recht finden lassen, weshalb man gleich einmal umdisponieren musste: Raus auf die Straße, hieß es plötzlich. Also ließ sich Karas, der bereits seit mehr als 15 Jahren im Europäischen Parlament sitzt und 2012 zu dessen Vizepräsidenten wurde, willig durch die Innsbrucker Maria-Theresien-Straße treiben.

Die Strategie: von Geschäft zu Geschäft, Verkäufer können nicht flüchten. Karas schüttelt also Hände, stellt sich vor, fragt die Schuhverkäuferin, wie lange sie hier schon arbeitet, und den Buchhändler, wie viele Lehrlinge er hat. Doch geht es um persönliche Gespräche mit Bürgern, ist Karas textlich nicht ganz so sattelfest. Ist das Thema nicht Demokratie, Energieunion oder die Rolle Europas in der Welt, sondern Smalltalk, wirkt er fast schüchtern.

Was er immerhin bei fast allen Gesprächspartnern schafft: dass sie zumindest sagen, nun am 25. Mai wählen zu gehen. Einige, die auf ihn zukamen, sind auch bereits überzeugte ÖVP-Wähler - also so bezeichnen sie sich zumindest selbst. Karas verschweigt seine parteiliche Herkunft hingegen nicht bloß auf den Plakaten, sondern auch in jeglicher Konversation. "Ich würde mich freuen, wenn Sie sich für uns entscheiden" , ist noch der Satz, der am ehesten darauf schließen lässt, dass er kein Einzelkämpfer ist.

"Das Parlament ist das Herzstück der europäischen Demokratie", hatte er in seiner Rede gesagt. Ob er es womöglich bereits im Oktober verlassen würde, um in die Kommission zu wechseln? Darüber wolle er noch gar nicht nachdenken, sagt er. Dass er sich derzeit auf die Wahl konzentriere. Ein bisschen schmunzeln muss er aber doch, wenn man ihn damit konfrontiert, dass ihm bereits beide möglichen neuen Kommissionspräsidenten - Jean-Claude Juncker (EVP) sowie Martin Schulz (SPE) - ihr Vertrauen ausgesprochen haben.

Innsbruck ist für Karas die vierte Station, er wirkt schon jetzt etwas müde. Am Vortag habe er noch bis spät am Abend Betriebe in Salzburg besucht. Die Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest hat er deshalb verpasst.  (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 10.5.2014)