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Dalia Grybauskaite bei der Stimmabgabe

Foto: AP Photo/Mindaugas Kulbis

Vilnius - In Litauen zeichnet sich eine Stichwahl um das Präsidentenamt ab. Die favorisierte Amtsinhaberin Dalia Grybauskaite kommt am Sonntag nach Auszählung von etwa fünf Prozent der Stimmen auf rund 42 Prozent, ihre beiden möglichen Gegner in einem entscheidenden Urnengang in zwei Wochen, der Sozialdemokrat Zygmantas Balcytis und Arturas Paulauskas von der Arbeitspartei, jeweils auf rund 18 Prozent.

Um im ersten Wahlgang im Amt bestätigt zu werden, benötigt Grybauskaite über 50 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag in der Auszählung kurz nach 21.00 Uhr Ortszeit (20 h MESZ) laut der zentralen Wahlbehörde in Vilnius bereits über 50 Prozent und somit über dem Mindestwert.

Amtsinhaberin Favoritin

Sie redet frei von der Leber weg, und wenn ihr etwas nicht passt, haut sie auch mal auf den Tisch: Bei Litauens Präsidentenwahl gilt Amtsinhaberin Dalia Grybauskaite als klare Favoritin - Umfragen sahen sie bei der Wahl am Sonntag klar vorne. In ihrer Heimat und darüber hinaus genießt die 58-Jährige einen Ruf als Eiserne Lady.

Sie gilt als scharfe Kritikerin Russlands. Erst kürzlich warf sie Moskau "imperiale Ambitionen" vor und forderte vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise ein entschlossenes Auftreten des Westens unter allen Umständen.

Grybauskaite, die einen schwarzen Gürtel in Karate hat, begründet ihre entschlossene Haltung gegenüber Russland mit der "Sicherheit Litauens", das wie das gesamte Baltikum jahrzehntelang unter dem den großen Nachbarn litt und ihn fürchtet. Es ist maßgeblich auf ihr Betreiben zurückzuführen, dass die NATO angesichts des russischen Säbelrasselns an den Grenzen zuletzt ihre Präsenz im Baltikum und in anderen osteuropäischen Staaten verstärkte. Unumstritten ist Grybauskaites geradliniger und politisch wie persönlich unabhängiger Stil in ihrer Heimat jedoch nicht.

"Sie ist stolz darauf, die meisten ihrer Entscheidungen allein zu fällen", analysiert etwa Kestutis Girnius von der Universität in Vilnius ihren Charakter. Es sei ein "Fehler, dass sie keine guten Berater um sich herum hat", findet er. Anders sieht es die Analystin Judy Dempsey von der Denkfabrik Carnegie Europe in Brüssel: "Grybauskaite weiß genau, was die Interessen Litauens sind", sagt sie. Die Präsidentin habe Litauen "eine feste Gestalt gegeben und dem Land zu Ansehen verholfen".

Grybauskaite, eine Leseratte, die neben Litauisch auch Englisch, Russisch, Polnisch und Französisch spricht, blickt auf eine steile Karriere zurück: An der Universität von Leningrad studierte sie zur Sowjetzeit politische Ökonomie und arbeitete daneben in einer Pelzfabrik. Später unterrichtete die promovierte Wirtschaftswissenschafterin an einer Hochschule der Kommunistischen Partei in Vilnius. Nach der Unabhängigkeit ihres Landes wurde sie nach Brüssel, später in Litauens Botschaft in den USA entsandt.

Es folgten Stationen als Vizefinanzministerin und Vizeaußenministerin, bevor sie im Jahr 2001 zur Finanzministerin ernannt wurde. Als Litauen der Europäischen Union beitrat, wurde Grybauskaite im Jahr 2004 die erste EU-Kommissarin ihres Landes. Zuständig war sie bis zu ihrer Wahl ins Präsidentenamt im Mai 2009 für Haushalt und Finanzplanung - und bekam dafür gute Noten. Im Jahr 2005 wurde sie sogar zur Kommissarin des Jahres gekürt.

Dann aber wollte Grybauskaite nicht mehr in Brüssel bleiben: Sie gab ihre Kandidatur für das Präsidentenamt bekannt und begründete dies mit ihrem "Gewissen als Bürgerin". Zu groß waren ihrer Ansicht nach die Probleme der Menschen in Litauen, das damals in argen wirtschaftlichen Nöten steckte. Auf Anhieb sicherte sie sich bei der Wahl mit fast 70 Prozent der Stimmen einen fulminanten Sieg und wurde die erste Frau an der Spitze des Landes.

Über Grybauskaites Privatleben dringt nicht viel an die Öffentlichkeit. Sie ist ledig und hat keine Kinder. Als eines ihrer Vorbilder nennt sie den Anführer der indischen Unabhängigkeitsbewegung, Mahatma Gandhi - wegen seines selbstlosen Einsatzes für andere Menschen. Aber sie sieht sich auch in der Tradition der britischen Premierministerin Margaret Thatcher, die wegen ihres resoluten Auftretens als Eiserne Lady in die Geschichte einging. (APA, 11.5.2014)