Wien – Seit Juli 2012 kontrolliert die Volksanwaltschaft auch Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, die aus den verschiedensten Gründen nicht bei ihren Eltern aufwachsen können. Im vergangenen Jahr hat die Volksanwaltschaft 84 Wohngemeinschaften und Wohnheime in Österreich untersucht, wird im Jahresbericht angemerkt. Der Großteil der befragten jungen Menschen beurteilte ihre Lebensumgebung als positiv.

In einigen Kinderheimen und Jugend-WGs stellte die Volksanwaltschaft allerdings auch fragwürdige Bestrafungsmethoden aus Überforderung sowie Personalmangel fest. In einem Jugendwohnheim in Oberösterreich wurde ein "menschenrechtlich bedenklicher Umgang mit Regelverstößen" notiert, berichtete auch Ö1: Jugendliche wurden etwa damit bestraft, dass sie über mehrere Tage das Gelände des Jugendwohnheimes nicht mehr betreten durften. Die Volksanwaltschaft ortete eine "massive Verletzung der Aufsichtspflicht der Einrichtung." Auch durchgeführte Gruppenstrafen oder das Streichen von Kontakten zu Familienangehörigen nach Regelverstößen beurteilte die Volksanwaltschaft "in menschenrechtlicher Hinsicht als nicht akzeptabel".

Klienten immer schwieriger

Die Ergebnisse der Untersuchung haben Walter Eichmann, Leiter des Vereins Oase für die "Unterbringung und Betreuung entwicklungsgefährdeter Kinder und Jugendlicher" in Wien, nicht überrascht. "Es ist gut, dass die Volksanwaltschaft so streng prüft. Aber die Situation wird nicht einfacher", sagt er dem STANDARD. "Denn die Klienten werden immer schwieriger."

Laut Eichmann wird die stationäre Unterbringung für schwer erziehbare Kinder und Jugendliche als letztes Mittel gewählt. Davor wird versucht, die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen aus oft schwierigen sozialen Verhältnissen durch familienunterstützende Maßnahmen zu stabilisieren. Das können bei weniger schwierigen Fällen Gespräche mit Sozialarbeitern sein. Helfen kann auch eine tageweise Hilfestellung bei der Erziehung und Betreuung.

"Früher war in Heimen und WGs die Durchmischung größer. Da hat es sechs unkomplizierte Klienten und vielleicht zwei Rowdys gegeben. Jetzt bleiben die schwierigen Fälle über. Es braucht für die Betreuung hochgradig individualisierte Angebote und mehr Personal. Die bisherigen Rahmenbedingungen müssen hinterfragt werden."

Zu wenige Plätze

Die Volksanwaltschaft hat bei ihrer Kontrolle viele Mängel festgestellt: So gibt es für Jugendliche mit psychischen Störungen zu wenige Plätze. Sozialtherapeutische WGs, die betreuungsintensivsten Einrichtungen, "gibt es in ganz Österreich zu wenige". Die unterschiedlichen Zahlen in den Bundesländern, wie viele Jugendliche pro WG erlaubt sind, werden kritisiert: Im Burgenland können Wohngruppen für bis zu 16 Kinder bewilligt werden, in der Steiermark beträgt die Höchstzahl 13 Kinder. Die Volksanwaltschaft empfiehlt nicht mehr als zehn.

Die Institution konstatierte in ihrem Jahresbericht auch eine "Zunahme der Gewaltbereitschaft und gewalttätiger Zwischenfälle in Betreuungseinrichtungen" in den vergangenen Jahren. Vielfach sind Sanktionen der Betreuer auch Ausdruck von Personalmangel und Überforderung: In einer WG in Niederösterreich mit sieben äußerst schwierigen Fällen wurden Regelverstöße auch damit geahndet, dass die Jugendlichen temporär in einer sechs Quadratmeter großen Holzhütte untergebracht wurden. Diese Maßnahme wurde mittlerweile abgestellt.

134 Millionen Euro

"Es ist allen Beteiligten klar, dass wir nicht zu früheren Zuständen zurückkehren dürfen, wo es zu Einschließungs- und Gewaltmaßnahmen in Jugendeinrichtungen gekommen ist", sagt Eichmann. "Wir fühlen uns zuständig. Aber für individuelle Angebote für Jugendliche muss es neue Konzepte und mehr Geld geben." 2013 gab allein die Stadt Wien 134 Millionen Euro für volle Erziehung aus. Der durchschnittliche Tagsatz für Betreuung pro Kind belief sich auf 190 Euro. Bei individuellen Betreuungskonzepten muss mit mindestens 400 Euro pro Tag gerechnet werden. (David Krutzler, DER STANDARD, 13.5.2014)