Wien - Gewerkschaft und Wirtschaftskammer liefern sich seit Monaten ein hartes Match: Die Arbeitgeber wollen in bestimmten Fällen längere Tagesarbeitszeiten, die Arbeitnehmer verlangen einen leichteren Zugang zur sechsten Urlaubswoche.
Ein ursprünglich noch für April geplantes Gesetzespaket kam bisher aber nicht zustande. Ein Parlamentsbeschluss noch vor dem Sommer wird mittlerweile in Verhandlerkreisen ausgeschlossen. Wie hinter den Kulissen zu hören ist, sind die Gespräche auf Sozialpartnerebene ins Stocken geraten: "Beide Seiten haben das Gefühl, dass ihr Entgegenkommen zu groß ist für das, was sie kriegen würden", sagt ein Verhandler.
Ähnlich ist die Situation auf Regierungsebene. Der zuständige Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) ist dem Vernehmen nach nicht gut auf sein ÖVP-Pendant Reinhold Mitterlehner zu sprechen. Dieser war Anfang April mit der Ankündigung an die Öffentlichkeit gegangen, man sei sich praktisch einig, dass bei Gleitzeit oder aktiver Reisezeit die tägliche Arbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden steigen soll. Zuvor gab es sogar eine gemeinsame Presseaussendung der Minister, aber nun ist von Einigkeit eben keine Rede mehr.

Öfters ab in den Süden? Das wäre zumindest der Wunsch der Gewerkschaft. Foto: dpa
Arbeiten wir zu viel?
Im Kern der Debatte geht es immer um zwei Fragen: Arbeiten die Österreicher zu viel? Und braucht die Wirtschaft mehr Flexibilität, um international konkurrenzfähig zu sein? Eines vorweg: Einfach sind diese Fragen nicht zu beantworten. Pauschal kann man aber eher nicht sagen, dass die Österreicher überdurchschnittlich viel arbeiten. Diesen Schluss lässt zumindest ein umfassendes Zahlenwerk der OECD zu, das vergangene Woche veröffentlicht wurde.
Dort zeigt sich nämlich, dass die Jahresarbeitszeit in sehr vielen Ländern länger als in Österreich ist. Im Schnitt verbrachten die Österreicher im Jahr 2012 (die letzten verfügbaren Daten) exakt 1576 Stunden in der Arbeit. Das ist weit weg vom Wert der Mexikaner (2226) oder Griechen (2034) und auch deutlich unter dem OECD-Schnitt (1769), aber immerhin über der Arbeitszeit der Deutschen und ziemlich gleich auf mit den Schweizern.
Was auffällt: Seit 2000 ist die Jahresarbeitszeit in allen OECD-Ländern gesunken, wobei es aber deutliche Unterschiede gibt. Zu einem beträchtlichen Teil ist der Rückgang jedoch auf die Weltwirtschaftskrise zurückzuführen, die einen massiven Anstieg der Arbeitslosenzahlen zur Folge hatte.
Auf den ersten Blick widersprechen die OECD-Daten für Österreich einer Eurostat-Erhebung, laut der nur in Großbritannien länger als hierzulande gearbeitet wird. Die Abweichung lässt sich aber leicht erklären. Bei Eurostat wurden nur die Vollzeitstellen erfasst, die OECD berücksichtigt alle geleisteten Arbeitsstunden in einem Jahr - also auch von Selbstständigen und Teilzeitkräften. Dazu kommt, dass es in Österreich vergleichsweise viele Urlaubs- und Feiertage gibt.
Der Einfluss der Teilzeit ist jedenfalls nicht zu unterschätzen. Wie das nächste Chart zeigt, ist die Zahl jener Arbeitskräfte, die weniger als 30 Stunden pro Wochen arbeiten, in Österreich deutlich gestiegen. Zuletzt waren 19,2 Prozent der Erwerbsbevölkerung teilzeitbeschäftigt. Länder wie Italien, Frankreich, Schweden und die USA wurden seit dem Jahr 2000 überholt.
Dass die niedrigen Arbeitslosenraten in Österreich zum Teil durch großzügige Pensionsregelungen in der Vergangenheit "erkauft" wurden, zeigt die nächste Grafik. Zwar sind heute wesentlich mehr 55- bis 64-Jährige erwerbstätig als im Jahr 2000, im internationalen Vergleich hinkt Österreich aber noch immer hinterher.
Auf der anderen Seite ist die Beschäftigungsquote von 15- bis 24-Jährigen überdurchschnittlich hoch, was sich traditionell in einer niedrigen Jugendarbeitslosenrate widerspiegelt und auch dazu führt, dass die Beschäftigungsquote insgesamt über dem OECD-Schnitt liegt.
Für die Unternehmen ist freilich die Frage interessanter, wie sich die Produktivität im Vergleich zu anderen Ländern entwickelt. Zur Erklärung der nächsten Grafik: Unter Arbeitsproduktivität versteht man, wie viel vom BIP (Bruttoinlandsprodukt) pro Arbeitsstunde erwirtschaftet wird. Die Lohnstückkosten geben die Arbeitskosten je Produktionseinheit ein.
Wie mehrfach berichtet, hat sich Deutschland seit dem Jahrtausendwechsel durch niedrige Lohnabschlüsse einen Wettbewerbsvorteil erarbeitet. In Österreich ist die Produktivität zwar auch stärker gestiegen als die Arbeitskosten, der Unterschied ist aber eben nicht so groß wie im Nachbarland.
In vielen anderen Ländern sind die Arbeitskosten stärker gestiegen als die Produktivität. Dramatisch, wie von vielen Unternehmen zuletzt dargestellt, ist die Lage für Österreich also keineswegs. (Günther Oswald, derStandard.at, 13.5.2014)