Männliche Kinderbetreuung hat viele Gesichter. Der deutsche Fotograf Uwe Arens porträtierte einige davon. Im Bild Jörg Henning, Erzieher in Berlin.

Foto: Uwe Arens/Koordinationsstelle Männer in Kitas

Krischan Kahlert, Erzieher in Berlin.

Foto: Uwe Arens/Koordinationsstelle Männer in Kitas

Guntram Müller, Erzieher in Köln.

Foto: Uwe Arens/Koordinationsstelle Männer in Kitas

Smeagol Ben Cleveland arbeitet in einer Lübecker Kindertagesstätte.

Foto: Uwe Arens/Koordinationsstelle Männer in Kitas

Pio Sauer, Erzieher in Karlsruhe.

Foto: Uwe Arens/Koordinationsstelle Männer in Kitas

Sebastian Hanisch, Erzieher in Hamburg.

Foto: Uwe Arens/Koordinationsstelle Männer in Kitas

David Godebo, Erzieher in Hamburg.

Foto: Uwe Arens/Koordinationsstelle Männer in Kitas

Sebastian Eckert, Erzieher in Karlsruhe.

Foto: Uwe Arens/Koordinationsstelle Männer in Kitas

Berlin - "Herzlich willkommen, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer – und alle, die sich durch die beiden Geschlechter nicht repräsentiert fühlen." Der Ton war bereits bei der Eröffnung der Tagung "Männer in Kitas" angeschlagen: Das Thema hat mit Aufgeschlossenheit zu tun. Etwa dafür, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern nicht für Frauen reserviert ist - weder in den eigenen vier Wänden noch in Kindertageseinrichtungen wie dem Kindergarten oder Hort. In Deutschland grundelt der Anteil männlicher Betreuer in Kindertagesstätten derzeit bei 3,8 Prozent dahin, in Österreich schaut es mit nur 1,4 Prozent noch düsterer aus. Dabei hätte die EU längst einen Anteil von 20 Prozent als wünschenswertes Ziel ausgegeben.

Veranstalter der Tagung am Wochenende in der Berliner Kalkscheune war die Koordinationsstelle "Männer in Kitas" und die Katholische Hochschule für Sozialwesen. Erstere wird vom deutschen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert - mit dem Ziel, den Männeranteil in Kinderbetreuungseinrichtungen zu steigern und Männer für die Erziehungsausbildung zu gewinnen. Dass sich eine katholische Hochschule und ein Bundesministerium mit nennenswerten Beträgen für dieses Thema starkmachen, das wäre so in Österreich wohl eher nicht möglich.

Wechselwirkung

Die Tagung machte deutlich, dass der Männermangel in Kindertagesstätten die Geschlechterverteilung in der privaten Betreuungsarbeit widerspiegelt - und umgekehrt: So sei in Ländern, in denen es als normal(er) gilt, dass die Eltern sich unbezahlte Betreuungsarbeit und Erwerbsarbeit gleichmäßig aufteilen, der Männeranteil in den Kindertagesstätten höher. Dabei geht es wesentlich um Vorbilder: Michael Cremers von der veranstaltenden Projektstelle betonte in seinem Referat, dass traditionelle Geschlechterrollen und -bilder immer noch dazu führen, dass Männer in Kindergärten die Ausnahme sind: "Es fehlen männliche Erzieher als Vorbilder - in den Einrichtungen wie in der Familie." Würden Burschen den Vater bei der Hausarbeit als etwas Alltägliches erleben, falle die Entscheidung bei ihrer Berufswahl eher auf Betreuungs- oder Erziehungsarbeit.

Doch warum ist es überhaupt wichtig, dass mehr Männer in Kindergärten, Horten und Volksschulen arbeiten? Auf Ebene der betreuenden Männer und Frauen geht es freilich um die gerechtere Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit - eine zentrale Grundlage der Gleichstellung. Aber macht es auch für Kinder einen Unterschied, ob sie von Männern oder Frauen betreut werden? Welche Auswirkungen haben mehr männliche Fachkräfte auf die pädagogische Arbeit in den Betreuungseinrichtungen? Zu dieser Frage, zu der es bisher kaum empirische Daten gab, referierte Holger Brandes, Professor für Pädagogik an der Evangelischen Hochschule.

"Weder Heilsbringer noch Katastrophe"

Brandes und sein Team hatten das Verhalten der Männer in Kitas über mehrere Jahre qualitativ erforscht. Mit einem differenzierten Schluss: "Männer in Kinderbetreuungseinrichtungen sind weder Heilsbringer noch Katastrophe", fasst Brandes zusammen - um den Blick auf die wichtige Frage der Ausbildungsqualität zu lenken. Wichtiger als das Geschlecht der Betreuungspersonen sei deren fachliche Qualifikation. So konnte Brandes feststellen, dass sowohl männliche als auch weibliche Betreuungspersonen mit Mädchen eher beziehungsorientiert-narrativ und mit Burschen eher sachlich-gegenstandsbezogen umgehen.

Das heißt konkret: Betreuungspersonen beiderlei Geschlechts malen mit Mädchen eher Bilder, teilen mit ihnen Geschichten und Emotionen. Mit Burschen wird dagegen eher mit groben Materialien gebastelt und in Wettbewerbssituationen getreten. Offenbar haben also sowohl Männer als auch Frauen sehr starke Annahmen davon, wie Buben und Mädchen "ticken", und verfestigen bestimmte Verhaltensweisen durch ihren Umgang mit den Kindern. Die Reflexion über die eigene Rolle sei daher sowohl für Frauen als auch für Männer notwendig, so Brandes: "Die meisten agieren emotional engagiert, aber fachlich wenig reflektiert."

Was tun?

Ein Tagungsfazit lautet daher: Männer sollten nicht nur in Kindertagesstätten präsent sein und von den Kindern als Normalität erlebt werden. Die Betreuungspersonen müssten auch ihre eigenen Vorstellungen von Geschlechterrollen ständig hinterfragen: ein wichtiger Teil der Ausbildung. Sandra Schulte von der Koordinationsstelle behandelte schließlich in einem Referat die Frage, wie sich der Anteil der Männer in Kitas steigern ließe. Zentral dafür sei Öffentlichkeitsarbeit, die den Beruf in seiner Vielfalt und männliche Erziehungsarbeit als den Normalfall präsentiert. Ein Beispiel ist die gelungene Ausstellung "Die Gesichter hinter den Zahlen", die auch auf der Tagung gezeigt wurde. Dafür hat der Fotograf Uwe Arens elf der insgesamt 16.705 Männer, die in deutschen Kindertagesstätten arbeiten, porträtiert. Dass sich bei dem Thema etwas bewegt, zeigte übrigens auch der Männeranteil bei der Tagung: Er lag bei gut fünfzig Prozent. (Lisa Mayr, derStandard.at, 12.5.2014)