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Christoph Blocher enthüllt demnächst Pläne, um die Schweiz vor der EU zu bewahren.

Foto: AP/Keystone, Gaetan Bally

Mit voller Kraft gegen den "schleichenden EU-Beitritt" der Schweiz: Christoph Blocher wird vom eidgenössischen Nationalratsabgeordneten zum selbsternannten Anführer der außerparlamentarischen Opposition.

Blocher, der - als Justizminister und als Abgeordneter, als Chef der rechtskonservativen Volkspartei SVP und als finanzstarker und wortgewaltiger Kampagnenführer - die Schweizer Politik seit den 1990er-Jahren geprägt hat wie kein anderer, legt sein letztes Amt als Nationalratsabgeordneter nieder. Das kündigte er kürzlich an. Doch für Freund und Feind ist klar: Auch nach seinem Rücktritt Ende Mai wird Blocher weiterhin Politiker bleiben.

"Weder Alter, Gesundheit noch Senilität sind Grund meines Rücktrittes", beteuerte Blocher in einem Interview in der Zürcher Sonntagszeitung. "Ich hatte die Wahl: Soll ich weiter meine Zeit im Nationalratssaal verbringen und bei vielen unwichtigen Fragen das rote Knöpflein drücken, während Freiheit, Sicherheit, Wohlfahrt und Volksrechte mit institutionellen Bindungen hinter unserem Rücken massiv ausgehebelt werden?"

Attacke gegen Außenminister

Dies ist eine Kampfansage an die Regierung - in erster Linie aber an den Schweizer Außenminister und gegenwärtigen OSZE-Vorsitzenden Didier Burkhalter von der liberalen FDP. Dieser strebt ein Rahmenabkommen mit der EU über das gegenseitige institutionelle Verhältnis an. Geplant ist unter anderem, dass die Schweiz den EU-Gerichtshof als Schlichtungsinstanz akzeptieren müsste. In etwa zwei Jahren soll das Schweizer Volk darüber abstimmen.

Blocher argwöhnt, dieser Plan würde bloß auf einen "schleichenden EU-Beitritt" der Schweiz hinauslaufen.

Mit einer neuen politischen Kampftruppe von 30.000 Mitgliedern, die er aufbauen will, mit der SVP an seiner Seite und mit weiteren nationalkonservativen Kräften an Bord hofft Blocher, den Abstimmungskampf zu gewinnen.

Geld spielt dabei eigentlich keine Rolle: Die Familie Blocher besitzt laut dem Wirtschaftsmagazin Bilanz über vier Milliarden Franken (3,28 Milliarden Euro). Und der ehemalige Chemie-Unternehmer selbst gilt als einer der reichsten Schweizer. Sollte Blocher also nicht genügend Spendengelder eintreiben können, dann würde er ohne weiteres einige Millionen Franken aus seinem Privatvermögen investieren können, um die Abstimmung zu gewinnen.

Blochers Brüskierung des Parlaments, dem er selbst 25 Jahre lang angehört hatte, kommt dort schlecht an. Das Parlament als Ort der Konsenssuche und der politischen Feinarbeit sei und bleibe wichtig, meint etwa der sozialdemokratische Fraktionschef Andy Tschümperlin. Doch "es ist vor allem die SVP, die mit den immer wieder gleichen Voten und unnötigen Anträgen den Ratsbetrieb verlangsamt", sagte Tschümperlin der Berner Zeitung.

"Verantwortungslos"

Bei den Debatten über Bürger- und Asylrecht etwa habe die SVP mit Dutzenden von Anträgen den politischen Prozess richtiggehend blockiert, so Tschümperlin weiter. "Dabei geht es der Partei nur darum, ein Thema in Beschlag zu nehmen oder eine Lösung zu verhindern."

Und Balthasar Glättli, der Fraktionschef der Grünen, warf Blocher in derselben Zeitung vor, er sei "verantwortungslos". Es sei für Politiker im Gegenteil unerlässlich, sich mit wichtigen Details auseinanderzusetzen: "Denn sonst regiert die Verwaltung die Schweiz, und das ist ja wohl nicht im Sinne der SVP."

Wenn es nicht um Europa ging, dann hatte Blocher in früheren Jahren auch selbst politische Kompromisse ausgearbeitet und mitgetragen - etwa als es um die "too big to fail"-Problematik bei den Großbanken ging; oder beim Ausstieg aus der Atomenergie, wo er einen überparteilichen Kompromiss schmiedete, der zum Verzicht auf den Bau des umstrittenen Atomkraftwerks Kaiseraugst bei Basel führte. (Klaus Bonanomi aus Bern, DER STANDARD, 14.5.2014)