Bild nicht mehr verfügbar.

Eine frühe Rekonstruktion der "Santa Maria". Die Überreste des Originals könnten nun vor Haiti entdeckt worden sein.

Foto: REUTERS/U.S. Library of Congress/

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Unterwasseraufnahme aus dem Jahr 2003 zeigt eine Bordkanone und Schiffsballast. Aktuelle Untersuchungen deuten laut Barry Clifford darauf hin, dass es sich dabei um die Überreste von Kolumbus' "Santa Maria" handelt.

Foto: AP Photo/Brandon Clifford

New York/Port-au-Prince - Ein US-Wissenschafter will die Überreste eines der berühmtesten Schiffe der Seefahrts-Geschichte entdeckt haben: Der Unterwasserarchäologe Barry Clifford ist zuversichtlich, dass er vor der Küste von Haiti auf das Wrack von Christoph Kolumbus' Flaggschiff "Santa Maria" gestoßen ist, mit dem der Genuese 1492 die Neue Welt entdeckte. Alle geografischen, archäologischen und topografischen Analysen deuteten darauf hin, sagte Clifford am Dienstag. Spanische Wissenschafter zweifeln allerdings stark an dem Fund.

Am Mittwoch präsentierte der 68-Jährige bei einer Pressekonferenz im Explorers Club in New York Einzelheiten zu seiner Entdeckung. Clifford und sein Team haben die Stelle in vier bis fünf Metern Tiefe, an der das Wrack vermutet wird, bereits im Jahr 2003 untersucht. Die damalige Beurteilung der Fundstücke - unter anderem eine Kanone und zahlreiche Ballaststeine (Bild links) - habe jedoch falsche Ergebnisse gebracht, so Clifford.

"Als wir kürzlich nach Haiti zurückkehrten, mussten wir feststellen, dass in der Zwischenzeit jemand die Kanone gestohlen hat, die wir vor elf Jahren fotografiert hatten. Aber wir haben das Bild als Beweis, dass die Kanone sich dort befunden hatte." Der Unterwasserforscher war vor wenigen Wochen mit einem Expertenteam erneut zu dem Fundort ausgerückt.

Er machte neue Vermessungen und verglich Bilder von der ersten Untersuchung mit Aufnahmen von heute. "Jedes einzelne Stück passt", sagte Clifford dem TV-Sender CNN. "Jetzt müssen wir natürlich erst einmal durch den ganzen archäologischen Prozess gehen." Er sei aber sicher, dass es sich um die Stelle handle, an der die "Santa María" auf Grund gelaufen war.

Gestützt wird Clifford durch Charles Beeker von der Universität Indiana. Die Beweise seien "sehr überzeugend", sagte der Archäologe aus Cliffords Team der britischen Zeitung "The Independent".

Cliffords Schlussfolgerungen aus seinen bisherigen Recherchen: Das Schiff kann nicht auf einem Korallenriff gesunken sein, denn Kolumbus schrieb, niemand an Bord habe die Havarie mitbekommen. Also musste es auf Sand gestoßen sein, da es sonst gegen die Korallen gekracht wäre. Außerdem habe Kolumbus das Fort "Navidad" an einer anderen Stelle auf dem haitianischen Festland gebaut, als Wissenschafter zunächst vermutet hatten. Von "Navidad" aus bezifferte Kolumbus die Entfernung zum Wrack der "Santa María" mit 4,77 Meilen (etwa 7,7 Kilometer).

Mit der Regierung Haitis will Clifford nun die nächsten Schritte beraten. Wie viele Überreste der "Santa Maria" tatsächlich geborgen und restauriert werden können, bleibt unklar. Was sich bergen lässt, sollte in jedem Fall in Haiti bleiben, meint Clifford.

Spanische Experten sind skeptisch

Spanische Medien meldeten indes Zweifel an dem angeblichen Sensationsfund an. Die Zeitung "ABC" wies unter Berufung auf spanische Archäologen darauf hin, dass nur aufgrund von Aufnahmen und Messungen die gefundenen Überreste nicht eindeutig identifiziert werden könnten. Nach dem Untergang des Schiffes sei das Holz, wie Kolumbus in seinem Tagebuch geschrieben habe, zum Bau einer Festung verwendet worden. "Von dem Schiff blieb kaum ein Nagel übrig", betonte der Archäologe Carlos León, der selbst lange Zeit in der Gegend geforscht hat. Bei dem Fund handle es sich in Wirklichkeit nur um einen Haufen von Ballaststeinen.

Der Meereswissenschafter Miguel Aragón, Chef der Abteilung für versunkene Meeresschätze bei der spanischen Marine, wies laut der Online-Ausgabe von "El País" darauf hin, dass nach geologischen Studien die Küstenlinie sich vorgeschoben habe und an der Stelle, an der die "Santa María" vor mehr als 500 Jahren verunglückt war, jetzt Festland sei. "Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es sich bei dem Fund um Reste des Schiffes handelt", sagte der Experte. "El País" betonte zudem, in der Karibik seien Hunderte spanische Schiffe gesunken, eine Verwechslung sei daher wahrscheinlich.

Kurzlebige erste Siedlung

Kolumbus war 1492 mit dem Dreimaster und den Begleitschiffen "La Pinta" und "La Niña" auf der Suche nach "Ostasien" in See gestochen, doch führte ihn seine erste Expedition statt nach Indien auf die Bahamas. In der Nacht auf den 25. Dezember lief die "Santa Maria" nach einem ausufernden Festgelage der Mannschaft auf eine Sandbank nahe der heutigen Stadt Cap-Haïtien vor der Nordküste der Insel Hispaniola.

Ein Teil des Holzes der mehr als 20 Meter langen Karavelle soll für die Errichtung von La Navidad, der ersten spanischen Siedlung auf amerikanischem Boden, verwendet worden sein. 30 bis 35 seiner Leute ließ Kolumbus in diesem Fort zurück. Als Kolumbus ein Jahr später die Siedlung erneut anlief, fand er sie zerstört und die Besatzung tot vor. Auf der Insel liegen heute die Dominikanische Republik und Haiti. (APA/red, derStandard.at, 14.5.2014)