Leidgeprüfte Fans: Alfred Dorfer und Florian Scheuba sinnieren auch über Sisyphos, der immer in Ballbesitz ist.

Foto: Peter Rigaud

Wien - Die Fußballsaison ist zu Ende, aber die WM in Brasilien wirft ihre düsteren Schatten voraus. Die Männer beziehungsweise das Kind in diesen hat bereits das Paninipickerlfieber gepackt. Das neue Sammelheft ist nochmals dicker: Man muss nun schon 640 Sticker einkleben. Den meisten geht es wohl wie Florian Scheuba, der die linke Hälfte des Stadions von Manaus schon siebenmal besitzt, etlichen Fußballstars aber vergeblich hinterherjagt. Statistiker hätten errechnet, dass man im Durchschnitt 454 Euro für die Sticker ausgeben muss, um das Album vollzukriegen. Da schmeißt selbst Alfred Dorfer, der feine Satiriker, bei der Tauschbörse die Nerven weg.

Die beiden Kabarettisten sind seit der Latenightshow Dorfers Donnerstalk (2004 bis 2010) ein eingespieltes Team. Nun setzen sie ihre Zusammenarbeit im Rabenhof mit Ballverlust fort. Die Nummernrevue hat formal große Ähnlichkeiten mit der Serie Wir Staatskünstler, die Scheuba mit Thomas Maurer und Robert Palfrader realisierte: Die Bühne ähnelt einem schicken Fernsehstudio mit allem Drum und Dran.

Als Sitzgelegenheiten dienen unter anderem zwei rote Schalensitze aus dem Klagenfurter Stadion. Scheuba und Dorfer haben sie gratis bekommen; wenn sie ihren Beitrag zum Hypo-Wahnsinn in Rechnung stellten, hätten sie eigentlich auch das Flutlicht mitnehmen können. Es geht in Ballverlust folglich nicht nur um alle möglichen Facetten des Fußballs (von Fairplay bis zu Kommerzialisierung und Steuerhinterziehung), sondern immer wieder auch um Innenpolitik.

Mit Sturm Graz als Lieblingsclub gebe die ÖVP ein Bekenntnis zum ländlichen Raum ab. Der Lieblingsclub der FPÖ hingegen sei Bayern München; die Strache-Partei hätte also einen "umfassenden Heimatbegriff" . Dass Dorfer ein "Anti-Bayern-Fan" ist, liegt nahe, auch wenn "nicht alles schlecht war unter Uli Hoeness". Zudem mag er David Alaba ganz besonders. Da liegt es nahe, in Staatskünstler-Manier die Manipulationen der Zeitung Österreich aufzudecken, deren Redakteure dem Legionär mithilfe von Photoshop ein anderes Leiberl angezogen haben.

Scheuba und Dorfer philosophieren über die Götter des Fußballs - und darüber, welche Funktion Gott hätte, wenn der Urknall ein von Herbert Prohaska analysiertes Spiel wäre: Ist er Trainer? Schiedsrichter? Oder nur Zuschauer? Sie lassen Zitate von Albert Camus und Jean-Paul Sartre einfließen, sie präsentieren wunderbare Videoeinspielungen und beraten sich in der Frage, zu welchem Klub man halten soll.

Mit grotesken Fanzylindern in Grün und Violett treten sie zum Duell an, aber leider geht es um nichts. Dorfer und Scheuba halten, um die Metaphern zu strapazieren, den Ball zumeist sehr flach. Und vor lauter Schlagwortzupassen vergessen sie aufs Einnetzen. Die erste Halbzeit ist ihnen etwas zu lang geraten, die zweite aber hat zumindest eine hinreißende Rapidviertelstunde: Wenn der heimische Fußball aus der Sicht von Ulrich Seidl als triste Hundskicktage porträtiert wird. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 15.5.2014)