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Börse-Chefin Birgit Kuras erwartet sich ein Bekenntnis der Politik. 

Foto: reuters/foeger

STANDARD: Die Regierung hat in ihrem Arbeitsprogramm die Stärkung des österreichischen Finanz- und Kapitalmarktes niedergeschrieben. Merkt die Wiener Börse etwas von diesem Vorhaben?

Kuras: Jein. In einzelnen Punkten schon - etwa bei der Gesellschaftssteuer, die ab Jänner 2016 abgeschafft werden soll. Das war auch immer eine unserer Forderungen.

STANDARD: Ein weiterer Satz im Regierungsprogramm lautet: "Der Finanzplatz muss als Standortfaktor wieder stärker beachtet werden, was eine offensive Kapitalmarktpolitik erfordert". Hören Sie da auch Kritik von der Politik heraus?

Kuras: Nein, das ist auch ein Punkt, den wir immer betonen. Es ist wichtig, den Kapitalmarkt zu stärken. Er ist kein Tummelplatz für Zocker, sondern erfüllt eine volkswirtschaftliche Funktion und trägt mehr als zehn Prozent zur Wertschöpfung im Land bei. Viele Unternehmen sind Weltmarktführer und wären das ohne der Zur-Verfügung-Stellung von Eigenkapital nicht. Es gibt keine entwickelte Volkswirtschaft, die keinen Kapitalmarkt hat. Ich würde mir von der Politik mehr erwarten. Es gibt Platz für Verbesserungen.

STANDARD: Wo?

Kuras: Ganz sicher kann von der Politik im atmosphärischen Bereich noch viel getan werden. Dass Politiker öffentlich sagen, dass ihnen der Kapitalmarkt wichtig ist und sie diesen unterstützen, wäre schon mal wichtig. Ein Bekenntnis Pro-Kapitalmarkt könnte die Stimmung schon drehen. Das Atmosphärische darf man nicht unterschätzen.

STANDARD: Große Unternehmen haben zuletzt mit Kritik am Standort Österreich und Abwanderungsdrohungen für Aufsehen gesorgt. Wäre Abwanderung für die Börse auch ein Szenario, wenn sich das Umfeld weiter verschlechtert?

Kuras: Nein. Absolut nicht. Ein Heim-Markt-Konzept hat sich in Österreich absolut bewährt.

STANDARD: Die Buwog ist ein Beispiel dafür. Verkündet wurde die Notiz in Wien "nur" als Zweitlisting. Der Großteil der Umsätze läuft aber über die Wiener Börse.

Kuras: Sogar mehr als 90 Prozent laufen über die Wiener Börse.

STANDARD: Fehlt den Unternehmen der Glaube an die Stärke der Heimatbörse?

Kuras: Zu den Überlegungen der Unternehmen kann ich nichts sagen, aber natürlich freuen wir uns über die Umsätze. Von Unternehmen, die von anderen Märkten an die Wiener Börse zurückgekehrt sind, hört man zufriedene Töne. Über den angekündigten Börsengang der FACC freuen wir uns.

STANDARD: Der Zugang zum Kapitalmarkt für kleine Unternehmen wird immer wieder gefordert. Sie haben den Mid-Market geschaffen samt Betreuung für die Unternehmen. Was wäre aus Sicht der Börse hier noch möglich?

Kuras: Ein Börsengang ist für kleine Unternehmen im Verhältnis relativ teurer. Wir fordern daher, dass zehn Prozent dieser IPO-Kosten steuerlich absetzbar werden und es einen Freibetrag gibt für laufenden Kosten.

STANDARD: Gibt es diesbezüglich politische Unterstützung?

Kuras: Wir sind dabei, eine Politikertour zu machen, um diese Themen verstärkt anzugehen.

STANDARD: Die Position der Regierung im Arbeitsprogramm ist das eine - erfolgt sind bisher die Bekennung zur Finanztransaktionssteuer und die Abschaffung des Kapitalmarktbeauftragten. Was sind das für Signale?

Kuras: Sicher keine Guten. Da kann man sich schon fragen, für wie wichtig der Kapitalmarkt gehalten wird.

STANDARD: Hatten Sie schon Gelegenheiten, Ihre Anliegen mit Finanzminister Michael Spindelegger zu besprechen?

Kuras: Nein, einen Termin direkt mit dem Minister haben wir noch nicht bekommen. Mit den Staatssekretären und den Ministerialbeamten gibt es schon Kontakt.

STANDARD: Sie forderten bei der Finanztransaktionssteuer die Ausnahme der Market Maker. Sehen Sie dafür jetzt noch Chancen?

Kuras: Ich hoffe, dass man das noch regeln kann. Würde man die Market Maker besteuern, würde deren Arbeit so teuer, dass die Funktion uninteressant wird. Das hätte negative Folgen für die Handelbarkeit der Aktien. Werden mit der Steuer nur die Börsenumsätze besteuert, würden diese abwandern. Dann bleibt auch nicht mehr viel zum Besteuern, was Auswirkungen auf die Realwirtschaft hätte. Italien etwa hat die außerbörslichen Umsätze sogar stärker besteuert als die börslichen und damit einen guten Lenkungseffekt erzielt. So etwas könnte man sich für Österreich auch überlegen.

STANDARD: Das Bild vom Aktionär als Anteilseigner an einem Unternehmen geht verloren. Aktien werden nur noch mit Zockerverhalten gleichgesetzt ...

Kuras: Das stimmt. Aktien werden losgelöst von Unternehmen wahrgenommen. Von diesem Bild muss man wieder weggekommen. Langfristig waren Aktien immer ein gutes Investment. Wir arbeiten viel mit Schulen und Lehrern, um jungen Leuten das Thema näher zu bringen. Je besser man sich mit dem Kapitalmarkt auskennt, desto eher nähert man sich ihm an. (Bettina Pfluger, DER STANDARD, 15.5.2014)