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Wenn Chinas Notenbank den Kapitalmarkt von der Leine lässt, dürften chinesische Firmen noch stärker im Ausland investieren

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Investor Mark Mobius rechnet mit weiteren zukäufen aus den Schwellenländern

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STANDARD: In den vergangenen drei Jahren haben die Aktien in Industrieländern gemessen am MSCI World um 35 Prozentpunkte besser abgeschnitten als Aktien aus Schwellenländern. Ist die Wachstumsgeschichte gelaufen?

Mobius: Es hat sich viel schlechte Stimmung zu Schwellenländern angesammelt, Fondsmanager etwa haben die Märkte gemieden, zeigen Umfragen. Doch solche Phasen halten nicht lange an und es folgt ein Comeback. Tatsächlich haben die Schwellenmärkte in den vergangenen drei Monaten wieder besser als Industrieländer abgeschnitten, der Krise um die Ukraine und Russland zum Trotz. Denn die Märkte der Emerging Markets sind relativ attraktiv bewertet,

STANDARD: Aber es gibt doch eine deutliche Abkühlung des Wachstums in den Schwellenländern?

Mobius: Ja, es gibt eine Entschleunigung. Aber viele Analysten vergessen die Perspektive. Vor fünf Jahren ist China zweistellig gewachsen und hat zum weltweiten Wirtschaftswachstum in etwa 800 Milliarden Dollar jährlich beigetragen. Heute werden mit nur sieben Prozent Wachstum mehr als 900 Milliarden Dollar zur Weltwirtschaft hinzugefügt. Es ist richtig, dass das Wachstum runtergeht, aber die Basis, die Ausgangslage für die Volkswirtschaft, ist viel größer geworden.

STANDARD: Die US-Notenbank Fed hat mit ihrer Drosselung von Anleihenkäufen viele Schwellenländer in finanziellen Tumult gestürzt. Was droht uns noch?

Mobius: Die Anpassung ist größtenteils vorbei. Ein Gros des heißen Geldes ist bereits aus den Schwellenländern abgeflossen. Die Währungskrise ging von den lokalen Anleihenmärkten aus, die vor der Krise stark gewachsen waren. Viel internationales Geld ist dort hinein gegangen, die Zinsen waren hoch und die Investoren haben auf Aufwertungen der Währungen gehofft. Das hat die Risikoaufschläge abschmelzen lassen. Als dann die Fed die Drosselung ihrer Anleihenkäufe ankündigte, sind die Investoren in Panik verfallen. Aber die Fundamente der Schwellenländer sind weiter solide, viele verfügen über hohe Währungsreserven und bei den Ratingagenturen werden Schwellenländer eher auf- statt abgewertet.

STANDARD: Aber über hohe Währungsreserven verfügen nur einige wenige Länder wie China.

Mobius: Das stimmt. Länder wie die Türkei oder Indonesien waren und sind sehr abhängig von ausländischem Kapitalzuflüssen. Doch die Politik hat darauf reagiert und es bleibt zu hoffen, dass es in Ländern mit politischen Spannungen nun mehr Dialog gibt.

STANDARD: Apropos Politik. Die Situation zwischen Russland und der Ukraine ist zuletzt eskaliert. Droht eine Währungskrise?

Mobius: Die russische Regierung muss alles versuchen, um die Kapitalabflüsse aufzuhalten. Russland ist damit ein großes Fragezeichen. Das Wachstum liegt nahe Null. Wenn es wirkliche Reformen gibt, dann könnte das Land auch deutlich höheres Wachstum verzeichnen.

STANDARD: Aber wird es die Reformen auch geben, etwa in Richtung Rechtsstaatlichkeit?

Mobius: Die Russen mögen Regeln. Die Frage ist nur, dass sie für alle gleich gelten. Es ist kein Geheimnis, dass auch russische Investoren darauf pochen, dass geschlossene Verträge auf internationale Schiedsgerichte in London verweisen. Sie wollen nicht, dass Moskau interveniert. Das verrät einiges.

STANDARD: Also sollten Investoren Russland weiter meiden?

Mobius: Man muss die wirtschaftliche Situation von der Lage der Unternehmen trennen. Es gibt auch in Russland attraktive Investments, etwa im Rohstoffbereich. Einige der Rohstoffe wie Nickel werden im Preis wieder steigen, weil China sie für die Produktion braucht. So wie es nach oben eine Übertreibung bei den Preisen gegeben hat, hat es sie auch nach unten gegeben.

STANDARD: Der chinesische Internetriese Alibaba hat jüngst Details seines US-Börsengangs veröffentlicht. Wieso sollte man in ein chinesisches Amazon investieren?

Mobius: Alibaba ist viel größer als Amazon. Das interessante an vielen Schwellenländern ist, dass sie nicht mit der Fülle an Regulierungen daherkommen, die heute das Wirtschaften in vielen westlichen Ländern so erschweren. Alibaba konnte also in spannende Geschäftsfelder vordringen, von Sparprodukten bis zu Nachrichtendiensten oder Zahlungssystemen. Das wäre in den USA nicht möglich gewesen. Die Handschellen hätten geklickt.

STANDARD: Also auch eine interessante Aktie?

Mobius: Als Value-Investor tue ich mit Internetaktien traditionell schwer. Die Aktie scheint mir zu einer teuren Bewertung an die Börse zu gehen. Dazu hat Alibaba Probleme mit der Corporate Governance, die Macht ist in wenigen Händen.

STANDARD: Auch in den USA sind Internetaktien wieder en vogue. Droht die nächste Blase?

Mobius: Man kann die heutige Situation mit der Internetblase der 2000er kaum vergleichen. In den Jahren des Dot-Com-Booms konnte man diese fünf-Jahres-Perspektive bei den Unternehmen einfach nicht sehen. Es gab keine Chance, dass diese Unternehmen genug Geld verdienen konnten, um ihre Bewertungen zu rechtfertigen. Heute ist das anders. Die Technologie ist angekommen, in der Logistik, dem Einzelhandel. Diese Unternehmen machen Geld.

STANDARD: Ist der Aufstieg Alibabas ein Zeichen eines weiteren Trends, der wachsenden Bedeutung von Marken aus Schwellenländern?

Mobius: Definitiv. Der erste Schritt war für Schwellenländer, Marken zu kaufen. Die indische Tata kaufte Jaguar und Land Rover und machte daraus einen Riesenerfolg. Der chinesische Autobauer Geely kaufte Volvo. Zuletzt hat Chinas Sanpower die britische Kette House of Fraser gekauft. Ohne Zweifel werden Unternehmen in Schwellenländern Marken weiter aufbauen oder zukaufen. Es gibt auch lokale Marken, die noch unter dem Radar der westlichen Konsumenten sind, aber in den Schwellenländern immer stärker werden. Indische Unternehmen expandieren etwa in Afrika.

STANDARD: China hat im vergangenen November ein großes Reformprogramm angekündigt. Setzt es die richtigen Akzente?

Mobius: Die Stellungnahmen und Ziele der Führung gehen in die richtige Richtung. Doch die Umsetzung hakt, weil es sehr ehrgeizige Menschen in den Regionen gibt, die ihr Geld und ihre Macht um jeden Preis verteidigen werden. Für mich bleibt die Reform der staatseigenen Betriebe ein wichtiger Punkt. Sie müssen profitabler werden, stärker zukunftsorientiert arbeiten, weniger korrupt sein.

STANDARD: Wird es mehr Privatisierungen geben?

Mobius: Definitiv. Das ist ein globaler Trend in den Schwellenländern. Die Liste der Privatisierungen in der Pipeline ist massiv angewachsen, von Rumänien bis China. Wir reden hier über Milliarden an Dollar von Marktkapitalisierung, die auf den Markt kommen wird. Alleine in Vietnam sind es 200 Unternehmen.

STANDARD: Zuletzt hat es China mit revidierten Zahlen zur Wirtschaftsleistung in die Schlagzeilen geschafft. Die Wirtschaft des Landes könnte dieses Jahr die USA überholen. Wie wichtig ist das?

Mobius: Es zeigt nur, dass viele Menschen in Amerika und Europa erst jetzt wach werden. Sie halten Chinas Wirtschaft nur für eine Werkbank. Jetzt kommen immer mehr Politiker und Unternehmer drauf, dass da mehr passiert, auch im Technologiebereich. Die BIP-Zahlen sorgen für wichtige Aufmerksamkeit. Das ist nicht nur in China so. Zuletzt hat auch Nigeria seine Wirtschaftsleistung statistisch massiv nach oben korrigiert. Die Wirtschaft ist nun größer als Südafrika, das war für viele ein Schock. Aber bei den Zahlen zu Wirtschaftswachstum und BIP darf man nicht vergessen, was für Investoren wirklich wichtig ist. Was passiert bei den Firmen? Können Unternehmen wachsen, gibt es ein starkes Rechtssystem?

STANDARD: In China hat die Abwertung der Währung zuletzt Investoren verunsichert. Nach Jahren der Auf- gab es plötzlich die stärkste Abwertung seit 2005.

Mobius: Hier schwingt viel Panikmache mit. Erstens war die Abwertung nur gering. Zweitens haben die Chinesen nur versucht, Investoren abzuschrecken, die auf eine konstante Aufwertung der Währung gewettet haben. Viele Leute glauben, dass die chinesische Währung steigen wird, wenn der Kapitalverkehr liberalisiert wird. Das muss aber nicht sein. Viele Menschen wollen ihr Geld aus China rausbekommen. Daher gibt es ja große chinesische Übernahmen, wie von Volvo oder House of Fraser. Wenn man einen Tiger in einen Käfig sperrt, will er natürlich raus. (Lukas Sustala, DER STANDARD, 16.5.2014)